Full text: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Erster Band. (1)

96 Die militärische Lage Europas 
Die ungeheuren Machtmittel des britcischen Imperiums kamen zwar 
langsam in Bewegung, wurden aber im Laufe des Krieges methodisch ent. 
wickelt und unter Vorspann der überseeischen Herrschaftsgebiete und Tochter. 
staaten Kanada, Australien, Südafrika und Indien mit rücksichtsloser Ent. 
schlossenheit gegen Deutschland und seine Verbündeten gelenkt. Als die 
ersten Divisionen sich bei Maubeuge sommelten, schwammen schon zahlreiche 
Schiffe auf hoher See, um nach und nach 100 000 Mann eingeborener indischer 
Truppen, deren man in Indien gern entriet, nach Agypten und Europa zu 
befördern. Im Mutterland und in allen Tochterstaaten erging die Werbe- 
trommel und rief Freiwillige unter die Fahnen. ODiese Massen wurden in 
Divisionen gegliedert und allmählich der Front zugeführt. 
Das stehende Heer rückte mit vier Armeedivisionen aus, zwei weitere 
wurden nachgeschoben, ehe es zu den großen Septemberschlachten kam. 
Aber obwohl sich der englische Generalstab im Besitze sämtlichen Materials 
zur Worbereitung eines Feldzuges in Belgien befand und die Landungs- 
möglichkeiten in Zeebrügge und Ostende seit Jahren bearbeitet worden waren, 
konnte selbst der Bormarsch von Maubeuge nicht rechtzeitig angetreten 
werden, da sich die eigenen Vorbereitungen in die Länge zogen und der 
Gegner ein abgekürztes Verfahren einschlug. 
Auch die Werschiebung der französischen Armeen auf der Grundlinie 
der ersten Aufstellung von Osten nach Norden hatte sich schwieriger gestaltet, 
als vorauszusehen war. Die von Nancy nach Mezieres und Hirson be. 
fohlenen Teile sind mit den von Süden herangebrachten algerischen und 
marokkanischen Divisionen nicht rechtkzeitig zu einer Einbeit in der Hand 
des Fübrers, General Lanrezac, verbunden worden, auch war diese 5. Armee 
zu schwach, um im weitgespannten Winkel von Maas und Sambre geschlossen 
aufzutreten. Vollständig im Rückstand war die Bereitstellung der aus fran. 
zösischen Territorialtruppen bestehenden Flankengruppe im Raume Lille, wo“ 
das „débrouillement“ überhaupt nicht mehr erfolgt ist. Das sollte die Eng- 
länder teuer zu stehen kommen, deren Generalstab und Feldheer in Verhälenisse 
von ungeahnter Größe gerieten und sich über Raum und Zeit keine strategische 
NRechenschaft zu geben vermochten. Wurden die Engländer in ihrer Grund- 
stellung vor Maubeuge angefallen, so verloren sie von Anfang an jeden 
Rückhalt. 
Außer Maubeuge befand sich keine französische Befestigung an der 
Nordgrenze in der Verfassung, einem Angriff schwerer Artillerie des deutschen 
Feldheeres Widerstand zu leisten. Die alten festen Plätze Longwy, Mont- 
médy, Givet, Hirson, Les Avvelles und Lille wurden offenbar als entwertet 
behandelt, weil das belgische Festungssystem eine unüberwindliche Schranke 
gegen einen Angriff von Norden und Nordosten zu bilden schien. Oieses 
stellte also gewissermaßen die erste befestigte Linie dar, die in engem strategi- 
schem Zusammenhang mit der französischen Maasfroné nicht mur Belgien
	        
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