XIV Vorwort
man die durch geschichtliche und kriegswissenschaftliche Studien gezügelte Kom-
binationsgabe mitsprechen läßt, soweit sie solche Unterlagen zu deuten und
zu verwerten vermag. Nicht, als ob sich daraus eine in allen Teilen und
Verknüpfungen richtige Darstellung ergäbe — dazu wird die Arbeit von
Generationen nötig sein —, aber man wird zu einer gefestigten einheitlichen
Auffassung und auf ursächliche Zusammenhänge geführt, die neue Perspek.
tiven aufschlagen. Gewiß wird vieles Vermutung bleiben, manches später
umgedacht und anders gewertet werden müssen; das wird man indes gern in
den Kauf nehmen, denn wir müssen auf irgendeine Weise mit diesem Kriege
innerlich fertig wer den, ohne der Phantasie, die Clausewig in diesem Zusammen-
hang fein „die ausgelassene Göttin“ nennk, die Führung zu übertragen.
Ich sah daher meine Aufgabe nicht darin, lediglich eine chronistische
Zusammenstellung der Kampfbandlungen und ihrer Ergebnisse anzufertigen,
sondern fühlte mich gedrängt, die Geschehnisse mit der Wangenröte des
Lebens zu malen, ohne festgestellte Beobachtungen zu verlassen, die Kämpfe
möglichst in Zusammenhang zu bringen und die strategischen Beziehungen
herzustellen. Dadurch wurde ich zu Wetrachtungen veranlaßt, die die
Synthese durch eine sorgfältige Analyse aufzubellen streben, woraus sich
allerdings auch eine gewisse Kritik ergab, die indes keineswegs aus wohlfeiler
Lob. und Tadelsucht geübt wird, sondern lediglich dem wissenschaftlichen Zwecke
dient, den verschiedenen Möglichkeiten der strategischen Zusammenhänge
nachzugehen und alte Lehren der Kriegsführung mit den Erfahrungen des
größten aller Kriege zu vergleichen, um daraus weitere Aufschlüsse zu gewinnen.
So furchtbar dieser Krieg auch ist, niemand wird verkennen, daß in ihm
geistige Kräfte tätig sind, daß wir vor einem herz- und hirnsprengenden,
unser seelisches Gleichgewicht zerstörenden Ereignis stehen, welches wir nur
dann fassen und einordnen können, wenn wir versuchen, ihm von der psycho.
logischen Seite beizukommen. Wir sollen nicht nur das wahnsinnige
Morden sehen, sondern vor allem auch das geistige Element zu erkennen
trachten, das in ihm wirksam ist, Bölker und Hcere gegeneinander führt und
politischen Ideen und strategischen Gesetzen gehorcht, die aus Plan und
Gegenplan bald schattenhaft, bald plastisch gerundet hervortreten. So habe
ich den Krieg gesehen, so will ich ihn zu schildern und auszulegen suchen.
Der erste Band umfaßt die Worgeschichte des Krieges nebst den
dazugehörenden diplomatischen Aktenstücken und einer Reihe von geschicht.
lichen Anmerkungen, einen Abriß der militärischen Lage Europas vor Beginn
der Verwicklung und die Feldzüge im Westen und Osten bis zur ersten
Kroßen Epoche, die ich auf den 15. September 1914 lege. Die Gliederung
des Stoffes richtet sich nach den Wechselbeziehungen, die ich in dieser Ent.-
wicklung wirksam zu sehen glaube, und zwar ist mehr nach operativen
Jusammenhängen als nach Zeiträumen geordnet worden. Oie Oarstellung
der Feldzüge im Westen folgt, abgesehen von der Benuzung der General-