Full text: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Erster Band. (1)

Betrachtungen zur Schlacht an der Marne 211 
schwierigere Aufgabe gestellt, die in drei· bis viertägigen Kämpfen gegen die 
von zwei Seiten nachdrängende 3. französische Armee gelöst wird. 
Die 6. und 7. Armee stehen unterdessen im Stellungskampf vor Nanch 
und Gerbeviller und gewinnen zwischen Pont-à Mousson und Lunkéville 
und an der Mortagne unfruchtbaren Boden, indem sie starke, aber nicht 
alle Kräfte der 2. und 1. französischen Armee festhalten, und gehen am 
10. September im Zusammenhang mit dem Rückzug der übrigen Armeen auf 
Befehl gegen die Grenze zurück. Die 7. Armee hat schon vorher große Ver- 
bände an die Ai##ne abgegeben. 
Die Schlacht südlich der Marne ist also von der obersten deutschen 
Heeresleitung abgebrochen und im Hinblick auf die allgemeine Lage ein 
strategischer Rückzug auf eine neue Grundlinie angeordnet worden. Die 
Schlacht war aber troß der von der französischen Heeresleitung vorgesehenen 
doppelseitigen Umfassung von den Deutschen taktisch günstig eingeleilet und 
versprach nach Klucks glänzender Abwehr der Umfassung und bei der Wucht, 
die nun dem Zentrumsstoß gegeben werden konnte, den langgesuchten Erfolg, 
falls die Versorgung des Heeres mit Schießbedarf und Ersatzmannschaften 
nicht notlitt und die Kampfkraft der von Entbehrungen fiebernden Truppen 
nicht vorzeitig aufgezehrt wurde. Im Augenblick der Ausführung ist aus 
weitreichenden allgemeinen Erwägungen auf den Austrag der Schlacht 
verzichtet worden. 
Generalfeldmarschall v. Schlieffen hat den Begriff der Vernichtungs- 
schlacht, die durch doppelseitige Umfassung bewirkt wird, am Beispiel der 
Schlacht von Kannä glänzend erläutert und festgestellt. Tatsächlich sind 
die meisten Vernichtungsschlachten der Weltgeschichte durch Umfassung oder 
Umgehung entschieden worden. Und zwar ist der Angreifer als Umgangener 
in größerem Nachteil als der Verteidiger. Das einzige Mittel, das dem 
in eine doppelseitige Umfassung geratenen Angreifer zu bleiben scheint, ist 
beschleunigter Rückzug, ehe die Amfassung sich auswirkt. Gelingt dem 
Gegner die mfassung nur einseitig, so kann die umfaßte Armee zu zwei 
Driteeln dem Verderben entzogen werden, wie das Beispiel des Generals 
Rennenkampf in der ersten Schlacht an den masurischen Seen zeigt, die 
zugleich mit der Schlacht an der Marne vom 6. bis 12. September 1914 
geschlagen wurde und den deutschen Waffen im Osten einen großen Sieg 
brachte. Nun scheint uns aber die Schlacht an der Marne trot der geschickten 
Aufstellung des französischen Heeres den Bedingungen einer Vernichtungs. 
schlache nicht entsprochen zu haben, denn die Umfassungsarmee Maunoury 
bat zu früh angegriffen, die englische Armee sich nicht imstand gezeigt, 
Küuck festzuhalten, und die 1. Armee zu gewandt mansvriert und zu große 
Kampfkraft besessen, um eingesponnen zu werden.
	        
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