Full text: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Erster Band. (1)

Die Schlacht bei Tannenberg 243 
in der Gegend von Bischofsburg Fuß und stand dort zur Umgehung des rechten 
Flügels der Narewarmee bereit. Es mußte aber zugleich darauf gefaßt sein, 
gegen einen Überraschenden Vorstoß der Armee Rennenkampf aus Nordosten 
Frone zu machen. Mackensen war gegen einen solchen Flankenangriff durch 
die 1. Kavalleriedivision gesichert, die, nach Nordosten hinausgeschoben, über 
Rössel und Nastenburg aufklärte und einen unzerreißbaren Schleier vor 
die empfindliche Flanke des XVII. Korps und der ganzen Ostarmee warf. 
Der deutsche Feldherr hatte den lehten Mann zur Entscheidungsschlacht 
herangeholt, und ähnlich wie Erzherzog Albrecht im Juni 1866 sich nicht 
gescheut, dem zweiten Gegner nur Kavallerie und eine aufs zußerste be- 
schränkte Fußtruppe gegenüberzustellen. Der österreichische Erzberzog hat am 
25. Juni 1866 die 1. italienische Armee unter La Marmora bei Custozza 
aufs Haupt geschlagen, während er die 2. Armee unter Cialdini, die in der 
Stärke von 70 000 Monm nur fünf Tagemärsche entfernt stand, durch Husaren 
und Jäger beobachten ließ. General Rennenkampf bätte das Schlachtfeld 
von Tannenberg nicht in fünf, sondern in zwei Tagen erreichen können, hat 
aber den „Dessauer Hof" zu Insterburg, wo Großfürst Nikolai Nikolajewitsch 
dem Sieger von Gumbinnen zutrank, nicht verlassen und sich begnügt, gegen 
Königsberg und über Friedland und Allenburg vorzufühlen. Nur Kavallerie 
ist in großen Schwärmen über Angerburg bis Korschen und Dastenburg 
gelangt, bat aber mehr Aufmerksamkeit auf die Dlünderung und Wer- 
wüstung des Landes und die Heimführung ihrer Beute als auf den Donner 
der Schlacht verwendet, in der die Armee Samsonows zugrunde ging. 
General Samsonow hatte seine Armee in breiter Front über die Grenze 
geführt. Der nüchterne, klug blickende General war vorsichtig zu Werle ge- 
gangen. Er ließ sein VI. Korps auf dem äußersten rechten Flügel in der 
Richtung Willenberg—Ortelsburg nach Norden vorrücken, um möglichst 
bald die große Bahnlinie Allenstein—Insterburg, die Hauptschlagader des 
preußischen Widerstandes, in die Hand zu bekommen und mit den WVor- 
truppen der Armee Nennenkampf, die sich nach dem Erfolge von Gumbinnen 
ungeskört ausbreiten konnte, Fühlung zu suchen. Auf den linken Flügel stellte 
Samsonow das I. Korps, dem die wichtige Aufgabe der Flankendechung 
gegen Thorn zufiel. Zwischen diesen beiden Flügelkorps entwickelte sich die 
Mittelgruppe, drei Korps stark, und brach in tiefen Marschsäulen zwischen 
Soldau und Neidenburg in der Richtung auf Allenstein—Osterode— 
Deutsch-Eylau vor. 
Ob der russische Heerführer noch starke Kräfte vor sich wußte, ob er 
überhaupt von der Versammlung der Ostarmee vor seiner Front Kenntnis 
hatte und diese noch als voll operationsfähig ansah, oder ob er glaubte, 
außer dem weichenden XX. Korps mur zusammengelesene Etappentruppen 
vorzufinden, entzieht sich heute noch der Beurteilung. Man wird dem 
russischen General aber zugute halten müssen, daß er von der Anwesenheit
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.