254 Der Feldzug in Ostpreußen bis zum 15. September 1914
1. Armee vor, nachdem am 31. August die Vorbereitungen zu neuer Schlacht
getroffen worden waren. Oie Gliederung der Verbände, der Nachschub
von Schießvorräten war erfolgt, Angriffslust beseelte das unermüdlich vor.
wärtsdrängende Heer. Der neue Feind, gegen den der größere Teil der alten
Osttruppen schon bei Gumbinnen gefochten hatte, sollte tunlichst gründlich
geschlagen werden;z mit dem „Quetschen“ einzelner Verbände oder einer
Flankenbedrohung, die die 1. Armee zu einem geordneten Rückzug ver.
anlaßt hätte, war es nicht getan.
Wieder holte Kindenburg den letzten Mann zur Entscheidung heran.
Gegen Warschau und den Narew blieb nichts stehen außer der Landwehr,
die General Mühlmann von Thorn herangeführt und die vom 21. bis
29. August bei Zielun und Lautenburg wacker gefochten hatte. Schon am
2. September rückee sie vor Illowo und erreichte am nächsten Tage Mlawa,
wo das 2., 9. und 19. Regiment russische Nachhuten warfen. An die Lydynia
und auf Praszunysz vorgeschoben, deckte die Landwehr die Straßen, die von
VWarschau—Nowo--Georgiewsund Wyszkow— Pultusk in den Rücken der
8. Armee führten. Diese schwache deutsche Abteilung genügte, die strategische
Flanke der Angriffsarmee gegen Südwesten zu schützen, da die Narewarmee
zum größten Teil vernichtet war. Von den Trümmern der Armee Samsonow
waren höchstens noch Teile des VI. Armeekorps im Felde verwendbar, die
vermutlich auf ihren Heimbezirk Bialostok—Grodno zurückgegangen waren.
Auch daraus wird ersichtlich, wie wichtig es war, zuerst die 2. Armee an-
zugreifen und diese bis zur Bernichtung zu schlagen. Erst die Schlacht bei
Tannmenberg schuf die strategische Lage neu und gestattete den Angriff auf
die Rjemenarmee.
Zwar war deren Vorbewegung jetzt ohnehin gelähmt, und ein Feldherr,
der den Erfolg nicht in der Vernichtung des Gegners suchte, sondern sich
mit Mansrrieren begnügte, konnte den General Rennenkampf schon durch
bloße Bedrohung zum Rückzug veranlassen. Mancher General hätte sich
mit dem Herausmanövrieren Rennenkampfs aus Ostpreußen gern begnügt.
Auch der Russe Benningsen handelte ähnlich, als er am 7. Februar 1807
Noapoleon nach glücklich eingeleiteter Amgehung durch einfache Bedrohung
auf den Flanken zum Rückzug hinter die Weichsel zwingen wollte, ohne
eine Entscheidungsschlacht zu wagen. Er sollte seiner Vorsicht nicht froh
werden. Wenige Monate später griff ihn der Korse bei Friedland an und
schlug ihn aufs Haupt.
Wie Napoleon, so suchte auch Hindenburg Schlacht und Entscheidung in
einem. Als die 8. deutsche Armee sich am 4. September in Bewegung seoe,
waren Hindenburgs Anweisungen schon seit 48 Stunden in den Händen der
Unterführer. Der Schlachtplan ging wiederum auf Vernichtung durch Um-
fassung des Gegners aus. Zum Angriff verfügte Generaloberst v. Hindenburg
diesmal Über das Gardereservekorps, das I., XI., XVII. und XK. Korps,