Full text: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Erster Band. (1)

Zu den englischbelgischen Besprechungen 387 
wurden, um der belgischen Regierung die Unabhängigleit und Integrität ihres 
Gebietes zu sichern. 
Aber: „Pendant deux longs mois, Messieurs les membres des Chambres 
des Lords et des Communs, mes vaillants camarades ont arrété les masses 
allemandes. Durant oes deux mois, la large voie fHuviale d'Anvers fut ouverte 
aux vaisseaux anglais. Mais aucun secoufs n’arriva d’'Augleterre.“ 
Also: „Le gouvernement anglais n’a donc pas rempli, vis-dà-vis de mon 
puys. sa promesse de nous seconder dans notre résistance Contre I’Allemagne 
et de nous préter immédiatement son assistance armée contre Ienvahissement 
violent du territoire belge.“ 
Wir glauben nun diesen Ausführungen — gleichgülig, wer sie niedergeschrieben 
hat und ohne innere Bezugnahme auf die ononyme Schrift — im Zusammenhang 
mit den Besprechungen, welche die englischen und belgischen Fachleute in den 
Jahren 1906 bis 1912 hielten, eine gewisse Beb##eutung beimessen zu können, obwohl 
es an Widersprüchen nicht fehlt. Das Dokument Ducarne vom 10. April 1906 
handelt ausdrücklich von der Unzweckmäßigkeit einer Landung in Antwerpen, 
während der unbekannte verwundete belgische Soldat behauptet, daß eine un- 
mittelbare Landung in Antwerpen vorgesehen gewesen sei. Wie ich im Anschluß 
an das Dokument Ducarne nachgewiesen habe, handelt es sich hier um sehr wichtige 
militärische Einzelheiten, und es ist wohl möglich, daß in den Jahren 1906 bis 1914 
noch Besprechungen zwischen belgischen, englischen und französischen Militärs 
stattgefunden haben, welche die Pläne in anderer Richtung festlegten, uns aber 
unbekannt geblieben sind. Keineswegs aber machen wir uns die Anklage des 
Belgiers im vollen Sinne zu eigen. Ist es nichte auffällig, daß die englischen Militärs 
so unverhohlen mit einer Landung englischer Truppen auf belgisch--neutralem 
Boden rechnen, den belgischen Vertretern gegenüber sogar unmittelbar damit 
drohen konnten? Wie wäre es, wenn zwischen diesem Druck und der mangelhaften 
belgischen Wehrkraft ein gewisser Zusammenhang bestünder 
Wohl waren die belgischen Festungen gut imstande und dienten der Deckung 
der belgischen Ostgrenze und damit auch einer Verlängerung der französischen 
Frontk, das belgische Feldheer aber war viel zu schwach, um eine aktive Rolle zu 
spielen. Solange nicht ein starkes belgisches Heer zwischen Lüttich und Antwerpen 
stand, konnte der deutsche Feldzugsplan mit einem Durchbruch durch Belgien 
selbst dann rechnen, wenn Hüttich nicht im gewaltsamen Angriff genommen werden 
konnee, sondern von einem zurückgelassenen Heeresteil belagert werden mußte. 
Es kam also für die Westmächte alles darauf an, in Nordbelgien eine Flanken- 
stellung einzurichten, welche diesen Durchbruch unmöglich machte, und da das 
lleine belgische Heer, dessen geringe Kadres keine rasche Auffüllung gestatteten, 
dazu nicht imstande war, so sahen sich die Engländer von selbst genötigt, in diese 
Flakenstellung einzurücken. Sie waren aber weit davon entfernt, das gern zu 
tun, und bemühten sich daher, einen Druck auf die belgische Regierung ouszuüben, 
um diese zu veranlassen, den Vortrite zu nehmen und durch eine Heeresreform 
für die Bereitskellung einer Felderuppe von mindestens 300 000 Mann zu sorgen. 
Die Besprechungen der englischen und belgischen Militärs nahmen bis zum 
Sahre 1912, wie wir aus den Dokumenten Ducarnes und Jungbluths wissen, einen 
immer entschiedeneren Charakter an. Immer stärker drückt der englische Generalstab
	        
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