394 Aus den Betrachtungen zur Krlegslage
10. August 1914. Nr. 370 (Morgenblatt).
Seit den Kriegserklärungen der Mächte sind knapp acht Tage vergangen.
Die Mobilmachungen können in Deutschland und Osterreich-Ungarn, wahr.
scheinlich auch in Franlreich als beendet angesehen werden. Die englische Mobil-
machung ist zur See zweifellos in der Hauptsache abgeschlossen, das Landheer
wird damit noch nicht fertig sein. Die russische Mobilmachung kann trotz des
Vorsprunges an Zeit erst zum Teil durchgeführt sein. Das Wortreiben von größeren
russischen Kavalleriekörpern kann darin nicht irremachen.
Alles, was bis jetzt geschieht und geschehen ist, sind Berührungen der Vor-
truppen, die den eigentlichen Aufmarsch verschleiern oder, wenn's glückt, behindern
sollen. Das ist an der russischen Grenze zu Ungunsten der Russen geschehen und
erfolgt jetzt an der elsässischen Grenze mit beidseitig wechselndem Erfolg.
Der WVorstoß nach Belgien und Luxemburg ist von den Deutschen mit mobilen
Teilen des VII. Armeekorps gegen Lüttich und Teilen des VIII. Armeekorps
gegen Luxemburg erfolgt. Das erklärt auch die Eroberung Lübtichs durch
einen gewaltsamen Angriff; im allgemeinen wird eine moderne, mit Fortks aus.
gerüstete Festung erst durch regelrechte Belagerung mit Hilfe schwersten Geschüces
genommen. Daß eine deutsche Armee von 100 000 Mann die Operationen auf
Lüceich ausgeführt habe, balten wir für unglaubwürdig
Die französische Armee vollzieht ihre Sammlung in den großen Lagern
von Chälons, Reims und an der französischen Maaslinie. Die erste Sperrlinie
der französischen Verteidigung, die von Belfort über Remiremont, Epinal,
Lunkville an der Mosellinie nach Norden direkt vor Meh führt, wurde schon im
Frieden von mobilen Truppenteilen kriegsmäßig besetze gehalten. Sie ist auch
bis jegt noch an keiner Stelle berührt oder durchbrochen worden. Oie deutscher.
seits gemeldete Besecung von Briey bei Meg hat darauf kaum Einfluß. Dagegen
scheinen die Franzosen jeht vor Belfort die vorgetriebenen deutschen Patrouillen
zurückgedrängt und selbst gegen Altkirch durch die Trouéèe de Belfort auf Mül.
hausen Naum gewomnen zu haben. Ob Mülhausen von ihnen beseht und gehalten
werden konmte, bleibt unentschieden, da sich die Nachrichten widersprechen. Fran-
zösische Quellen behaupten, die Besetzung von Mülhausen sei vollzogen. Von
einem Vormarsch mit versammelten Kräften zur Schlacht kann aber beiderseits
nicht die Rede sein.
10. Auguse 1914. Nr. 371 (Abendblatt).
Die von Belfort vorgegangenen französischen Truppen haben Mülhausen
im Elsaß erreicht und allem Anschein nach besegen und halten können.
Der Vormarsch der Franzosen vollzog sich, unter Jurücktreiben der bis unter
die Fores von Belfort schwärmenden deutschen Kavallerie, durch die bekannte
Trouêe de Belfort, die Mulde, welche die Vogesen und den hier weit auf deutsches
Gebiet verlaufenden Jura scheidet ... Das Geseche von Altkirch ist von den
Deueschen offenbar zur Werzögerung des französischen Vormarsches geliefert
worden. Die Franzosen werden nun ungehindert in die elsässische Rhein-
ebene heraustreten können. Die Frage ist nur: was dann?
Jenseies des Q#heins, vielen Stellen nur wenige Kilometer zurücktretend,
an anderen hart am Strom, erheben sich auf den BVorbergen des badischen Schwarz-