32 Aus der Vorgeschichte des Krieges
lands und Europas ließ damals einen Krieg für Deutschland aus.
sichtsvoll erscheinen. Das französische Heer war nicht bereit, die fran-
zösische Flocte ohne Schießvorräte, die Befehls gewalt gemindert und das
Land durch innere Schwierigkeiten an der Entfaltung seiner Kräfte
gehindert. Englands Feldarmee war nur ein Skelett, und Rußland hatte
seine Truppen so weit nach dem Innern und dem Süden verschoben,
daß es das Gewicht seines Heeres nicht rasch genug zur Wirkung bringen
konnte. Osterreich-Ungarns Armee dagegen war seit 1908 bedeutend ge-
kräftigt, das deutsche Wehrwesen in unermüdlicher Friedensarbeit zur Reife
gediehen — kurz, die Amstände lockten, lockten um so mehr, als die nationale
Erregung in Deutschland sehr stark war und gewichtige Gründe für einen
„Präventivkrieg“ zu sprechen schienen. Der Kaiser eneschied im Geiste
seiner geschichtlichen Sendung und im Sinne der Reichsregierung für den
Frieden. Drei Jahre später mußte er unter wesentlich ungünstigeren Be-
dingungen den schwersten Krieg aufnehmen, den je ein Volk geführt hat.
ODie Entwicklung war im Zuge; erst langsam und stockend, dann rasch
und rascher trieb Europa dem großen Krieg entgegen. Das Jahr 1912 war
bereies das Jahr entschiedener Kriegsrüstungen, des Abergangs der russischen
Politik zur Angriffsstellung und offener Kriege auf der Balkanhalbinsel.
Langsam zerfiel das europäische Konzert, das sich bis dahin wenigstens in
gewissen Grundfragen noch einer harmonischen Stimmenführung befleißigt
hatte. Eine Kette von ineinandergreifenden Handlungen führte dem Ab-
grund zu.
Als König Eduard im Jahre 1904 die ägyptische Frage zum Ausgangs.
punkt genommen hatte, um das Neg seiner politischen Freundschaften zu
knüpfen, wurde das schwebende Gleichgewicht der Friedenslage unwiderruflich
gestörk. Die Abkehr der französischen Interessen von Toypten wurde von Eng-
land, das von seinen Versprechungen, das Pharaonenland zu räumen, nichts
mehr wissen wollte, mit der Anwartschaft Frankreichs auf das souveräne
Marokko bezahlt (12). Frankreich gab Spanien ein Stück dieser Amvartschaft
ab, und Italien erhielt zur Beschwichtigung Tripolitanien zugesprochen,
nachdem man ihm Tunis schon vor zwanzig Jahren vorweggenommen hatte.
Ais Italien nach Tripolis ging und die Türkei im Agsischen Meer bedrängte,
war auch die Stunde der Balkanvölker gekommen. Eigene Einsicht und
Rußlands gute, aber mitnichten uneigennützige Ratschläge hatten Bulgarien,
Serbien, Montenegro und Griechenland zu einem Bunde vereinigt, von
dem sich keiner der Teilhaber ausschließen konnte, um nicht der türkischen Erb.
schaft verlustig zu gehen und in der Vereinzelung zu bleiben. Im Herbst 1912
brach der Bund gegen die Türkei los und entriß ihr im Balkankriege Maze-
donien und Albanien.
Ohnmächtig und sorgenvoll sahen die Großmächte zu. Auch Rußland
nahm mit gutgespielter Sorge an dieser geschichtlichen Handlung Anteil,