ohne Stenogramm fast Tag für Tag es begriffen haben, wie
die Balken sich bogen, wenn der Zeuge Erzberger aufgerufen
wurde. Die uns noch bevorstehenden zwei oder drei Tage
Beweiserhebung über die Wahrheitsliebe Matthias Erz-
bergers sind im Grunde nur eine Verlängerung der Qual
der Harrenden im Kabinett. Sie ist ihnen an dieser Stelle
schon in den Weimarer Tagen vorausgesagt worden. Voraus-
gesagt, daß dieser Erzberger seine Mitregenten allesamt in
die Tinte reiten würde. Diese Schwemme ist für die weißen
Westen auch der direkt AUnbeteiligten nichts weniger als eine
chemische Reinigungsanstalt.
Höhenluft, Urkundenfälschung, Diebshilfe.
25, Februar.
Der seit gestern vorläufig seines Amtes, aber nicht seiner
Prozeßsorgen enthobene Erzberger häi#t es mit dem Ehren-
kodex des fetten chinesischen Gauners, der immer noch „das
Gesicht wahrt“, wenn seine Sache auch oberfaul steht. Er
läßt sich nichts merken. Auch der Gerichtshof, auch die Gegen-
partei sind von einer geradezu chinesischen Höflichkeit und
unterlassen taktwoll jeden Hinweis auf den einigermaßen
veränderten Personenstand des Suspendierten. Die Regie-
rung läßt sich natürlich erst vecht nicht lumpen. Obevohl Erz-
berger in diesen Tagen sozusagen Privatmann ist, hat er doch
seine Liktoren behalten: seine Stütze, der junge, von ihm ge-
machte Geheimrat Haemmer, sitzt nach wie vor an der Seite
von „Exzellenz“. Selbstwerständlich weiß aber jedermann im
Saale, was ist. « «
Wenige Tage vor Beginn des Progesses wurde Erzberger
in der Wandelhalle des Reichstages von Freunden gefragt,
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