Kopf: wie war es nur möglich, daß ein Mann von den
moralischen Qualitäten Ergbergers es fertiggebracht hat, das
Unglück Deutschlands zu werden, der Rattenfänger für
Reichstag und Regierung? Seine Fraktion, in der doch einige
ihn durchschauten, hat chn gehalten; das war seine Basis. Die
Sozialdemokraten haben ehn unterstützt; das waren seine
Helfer. Die Fortschrittler sind mit ihm gegangen; so hatte er
den ganzen Bethmann--Block. Dieselbe Mehrheit hat ihn zum
Minister gemacht und mit ihm den Waffenstillstand, den Ver-
sailler Frieden, die Schand- und Schundgesetze. Heute aber
wagt es deren Presse bereits, ihn — dem „alten System“ an-
zuhängen. Dieses System ist nicht erst im November 1918
urplötzlich abgelöst worden. Entwicklungen vollzieben sich
nicht mit einem Schlage. Schon unter Bülow hat die Parla-
mentarierherrschaft begonnen. Aber Bethmann war viel
schwächer als Bülow. So mußte er erliegen. Ernst Moritz
Arndt hat einmal gesagt: „Der Wolf frißt den, der sich zum
Schaf macht.“
November-Exzellen zen am Zeugentisch.
. 1. März.
Man kann den Leuten, die die Spendierhosen anhaben,
nicht immer entgehen; der Reichgewordene drängt einem bei
der unpassendsten Gelegenheit die Flasche Schampus oder
die dicke Upman auf oder stellt einem sein Auto zur Ver-
fügung, nicht einmal aus Protzerei, sondern lediglich aus dem
glückseligen Drange des „Wohlzutun und mitzuteilen ver-
gesset nicht“ heraus. Erzberger nun hatte Macht, viel Macht
und war damit so freigebig, wie neugebackene Könige, die
von unten her kommen, es häufig zu sein pflegen. Mit der
größten Liebenswürdigkeit gab er Empfehlungen, Pässe,
Interschriften, Einfuhrscheine, auch wo es sich nicht direkt für
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