Full text: Hindenburg, Erzberger, Kapp

ihn verzinste. Was er darüber sagt, erscheint mir nach der 
ganzen Psyche dieses Mannes durchaus glaubwürdig. 
Helfferich aber glaubt ihm nichts. Er mag ja seine 
Gründe dafür haben, nicht so vertrauensselig zu sein wie 
unsereins. Da hat beispielsweise Erzberger einem Lands- 
mann und Kollegen, dem demokratischen Abgeordneten 
Hermann--Reutlingen, ganz ausnahmsweise — vorher und 
nachher wurden ähnliche Gesuche abgelehnt — die Erfüllung 
bestimmter Wünsche der Nürnberger Zentralgenossenschaft 
des Schneidergewerbes (Abg. Hermann hat da einen ehren- 
amtlichen Posten) über Kriegsanleihe als Zahlungsmittel zu- 
gesagt. Da steckt was dahinter, meint Hekfferich, reißt den 
Vorhang hinweg, und siehe da, am Tage der Zusage wurde 
in der Natsonalversammlung über das Reichsnotopfer ab- 
gestimmt. „Ha, Stimmenkauf!“ Ach nein, in diesem Falle 
sieht mir die Sache, die Helfferich verficht, wirklich zu melo- 
dramatisch, zu kolportageromanhaft aus, und der Zeuge 
Hermann gerät denn auch alsbald in heftigen Zorn, und der 
Gerichtspräsident wird nervös und überhaupt: es ist zum 
Bersten. Nun sitzt man wochenlang in der drückenden Luft 
des Schwurgerichtssaales, Erzberger ist bei der genauen 
Untersuchung längst aller Bekleidungsfstücke eines Gentleman 
ledig, man kennt ihn von allen Seiten, aus- und inwendig, 
man hat beklommen gelegentlich auch seinen Angstschweiß 
gespürt, und jedenfalls haben die fünf Richter und die beiden 
Staatsanwälte längst ein unvergeßliches Bild von der 
Gesamtpersönlichkeit Erzbergers gewonnen. Man kann ihnen 
an diesem letzten Tage der Beweisaufnahme, selbst wenn man 
spachtelweis neue Farbentupfen aufkleckste, doch nichts Neues 
mehr sagen, jeder Versuch in dieser Richtung ist im Grunde 
eine Beleidigung ihres gesunden Menschenverstandes, 
während sie mit uns allen innerlich nach Erlösung von diesem 
Prozeßalp schreien. 
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