seit November 1918 nicht mehr sahen. Es ist ein stilles
Jubeln und Blickewinken hinauf. Auf dem Wilhelmsplatz ist
noch nichts abgesperrt. Eine Kapelle spielt „Deutschland,
Deutschland über alles!“ Die Vorübergehenden bleiben
stehen, viele, sehr viele nehmen die Hüte ab. Rundum Feld-
lager. #bernächtige Feldgraue, alle aber so tadellos mili-
tärisch angezogen, wie wir es seit der Luderzeit des November
1918 kaum mehr gesehen, pennen; andere stehen Posten oder
schaffen an der dampfenden Feldküche; wieder andere haben
Appell.
Da steht auch unser Junge. Nun höre ich still zu.
Der Marsch auf Berlin.
Es bat nichts Verschwörerartiges gegeben, keine feurige
Ansprache am Tage zuvor, sondern den einfachen Befehl:
die Brigade tritt um 10 Uhr 15 Minuten abends kriegsmäßig
ausgerüstet an. Dann eingeschwenkt und abmarschiert. Am
1 Uhr nachts, schon diesseits der Havel, Halt. Korvetten-
kapitän Ehrhardt, der verwegene Führer der 9. Torpedo-
bootsflottille in der Schlacht vor dem Skagerrak, für den
seine Offiziere und Mannschaften durchs Feuer gehen, teilt
ihnen jetzt kurz den Zweck des Nachtmarsches mit. Er gelte
der Wiederherstellung der Verfassung in Berlin, die durch
Verweigerung der Wahl eines gesetzmäßigen Reichstages
gebrochen sei, und der Einsetzung wirklicher Fachminister an
Stelle von Schiebern und Unfähigen. Gegen ein Verbleiben
Eberts im Amte bis zu den Neuwahlen habe man nichts.
Diese Forderungen sind als Altimatum des Wehrkreis-
kommandeurs Genevals v. Lüttwitz, auf dessen Befehl man
handele, an die Reichsregierung geschickt worden. Sonst
nichts. Von der Antwort hängt es ab, ob man einmarschiert
oder nicht.
Wenn die Regierung klug ist und auf Volkesstimme
hört, ruft sie aber selber die Brigade, denn sie wird bald
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