den parlamentarischen Führern und sonstigen Hervor-
ragenden zugeschickt hat, mit offenem Visier, unter voller
Nennung des Urhebers und Absenders, zeugt von klarem
Denken und politischem Instinkt. Da sie nach Bethmanns
Sturz zum Preise von nur einer Mark im Druck erschienen
ist — im Verlag des „Heimatboten“ in Gera-Langenburg
(Reuß) —, kann man sich aus ihr ein Bild des Mannes
machen, der die Unklarheit unserer Kriegsziele, die Schwäch-
lichkeit in der Verwendung der Tauchbootwaffe, die falsche
Ernährungspolitik der Regierung bekämpfte und ein ge-
sundes Programm für die Führung namentlich unserer
inneren Geschäfte aufstellte. Seine Kassandrarufe sind ver-
hallt, wir haben alles verloren und stecken in dem Sumpf,
aus dem er uns nun in zwölfter Stunde doch noch heraus-
holen will; und es ist durchaus begreiflich, daß vaterländisch
denkende Nichtpolitiker ihm begeistert folgen.
Also alles schaut erwartungsvoll zum Reichskanzler-
palais hin.
Aber es erfolgt nichts.
Es werden zwar Erlasse und Proklamationen heraus-
gegeben, die die Herren großenteils schon längst in der
Westentasche hatten, aber sie gelangen nicht ins Volk. Ein
Mensch, der da weiß, was öffentliche Meinung ist, ein be-
liebiger kleiner demokratischer Parteisekretär, wäre im
jetzigen Augenblick zu gigantischer Größe emporgewachsen.
Kapp und die Seinen aber haben keine Ahnung von dieser
modernsten und furchtbarsten Waffe. „Lm die Verhand-
lungen mit den Arbeiterwertretern nicht zu stören" —
einige Unabhängige rekognoszieren nämlich gerade bei Kapps
Unterstab — wird das Erscheinen sämtlicher Zeitungen ver-
boten, eine ungeheuerliche Torheit, ein Gaurisankar der Ver-
blödung: wo man die Posaunen von TFericho nötig hätte,
verklebt man sich selber den Mund.
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