ist an so etwas anscheinen nicht gedacht worden. Nun drückt
Lüttwitz die erste draklonische Verordnung durch, aber sie-
kommt vier Tage zu spät; sie wird schon bei Erscheinen von
der Entwicklung überholt.
Kapp ist eigentlich bei dieser Entwicklung ganz über-
flüssig. Im Reichskanzlerpalais soll schon eilig gepackt
werden. Mit Zornestränen auf den geröteten Backen hat
die Tochter Kapps, die leidenschaftlich das Auf und Ab dieser
Dage miterlebt hat, einigen zufällig hereingestolperten Neu-
tralen zugerufen: „Ja, Sie, Sie —, Sie freuen sich jetzt,
was?“
Inzwischen ist seit Sonnabend der fünfte Pressechef für
die nicht erscheinende Presse im Amte.
Da er auch keine Nachrichten für die seiner Weisheit
harrenden Herren in der Empfangsstunde hat, gibt es eine
Art Theaterskandal. Die Pressevertreter der drei Mehrheits-
parteien sind grausam gegen den nervös überreizten
Johannes W. Harnisch, der dabei einer der ehrenhaftesten
und anständigsten Charaktere ist, mit denen man während
des Interregnums zu tun gehabt hat. Er weiß es noch nicht
einmal, daß Kapp wirklich packt, aber wer denkt denn mitten
im Aufbruch noch an das Informieren des Pressechefs
Der Öffentlichkeit, soweit sie überhaupt noch von
Meldungen der Wilhelmstraße Notiz nimmt, wird die Tat-
sache in der Form mitgeteilt, daß Kapp zurücktrete, da die
wesentlichsten seiner Forderungen angenommen seien und er
somit seine Mission für erfüllt ansehe.
Da meine Forderungen im wesentlichen erfüllt sind,
sagte nach der bewilligten Henkersmahlzeit der Verurteilte,
sehe ich meine Mission für erfüllt an; und legte seinen Kopf
auf den Block.
Es ist vielleicht grausam, Kapp ein solches Abschieds-
wort mitzugeben, aber sein AUnternehmen ist nicht „gemeiner
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