Hindenburg!
18. November.
Eine Erinnerung taucht auf, eine Vision fast. Es ist schon
über fünfundzwanzig Jahre her. Zwei Tage zuvor war ich
in Varzin angekommen, hatte Unvergeßliches gehört und er-
lebt. Nun ging ich mit Chrysander dicht hinter dem Fürsten
Bismarck, der gerade mit seinem Sohn Herbert sprach, hinaus
über den Hof.
In einiger Entfernung stand ein Fremder. Wie wir
wläter erfuhren, ein Gutspächter aus Mitteldeutschland,
tätiges Mitglied der Fortschrittlichen Volkspartei, wütender
Bismarckhasser, der nur zufällig auf Geschäftsreisen in den
Varziner pommerschen Ostzipfel gekommen war und nun bei
Gelegenheit den „Drachen“ sich ansehen wollte.
Fürst Bismarck nähert sich dem Fremden, langsam
wächst vor diesem die Riesengestalt des deutschen Reichs-
gründers empor, das suchende Auge des Ragenden senkt sich
wie ein Lot in seine Seele.
Und da bricht der einsame Mann, der Bismarckhasser,
vor Bismarck in die Knie, hascht nach der Hand des Alt-
kanzlers, küßt sie und schluchzt nur niedergebrochen in tiefster
Erschütterung: „Mein Fürst! Mein Fürst!“
Die Schauer der Weltgeschichte umwehen uns.
Und nun, fünfundzwanzig Jahre später, wieder fast das
gleiche Ereignis. Ein breitbrüstiger Riese mit weiß-
umbuschtem, mächtigem Haupte, eine Erscheinung von schier
Vorzeitgröße, tritt in den Saal des parlamentarischen Unter-
suchungsausschusses, bis wohin er sich von dem Abg. Warmuth
bat führen lassen: Hindenburg. Der einst leidenschaftlich von
der ganzen Nation umjubelte Retter des Vaterlandes, der
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