152 Zweites Buch: Staat und Staatsverfassung. V. Kapitel. § 43.
mögensrechtliche Ansprüche derselben, wie auch ihrer Hinterbliebenen, aus ihrem Dienst-
verhältnisse, insbesondere über Ansprüche auf Besoldung, Pension oder Wartegeld, der Rechts-
weg statt. Da das Dienstverhältniß der Staatsbeamten ein öffentlich-rechtliches ist, so er-
scheinen auch die sämmtlichen Ansprüche der Beamten aus diesem Verhältnisse gegen den Staat
— gleichgültig, ob sie vermögensrechtlicher Natur sind oder nicht — als öffentlich-rechtliche
und es wäre daher an und für sich nach der bezüglich der Kompetenzabgrenzung zwischen den
Gerichten und den Verwaltungsbehörden, bezw. Verwaltungsgerichten geltenden Grundsätzen
der Rechtsweg ausgeschlossen. Die Zulässigkeit des Rechtswegs ist aber ausdrücklich anerkannt
im G. v. 24 /5. 1861 betr. die Erweiterung des Rechtswegs (G. S. S. 242)1). Dazu kommt
jetzt noch die Bestimmung in § 9 R.G.V. G., daß wegen vermögensrechtlicher Ansprüche der
Richter aus ihrem Dienstverhältnisse, insbesondere auf Gehalt, Wartegeld oder Ruhegehalt
der Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden darf.
Auf Grund des G. v. 24/5. 1861 findet über vermögensrechtliche Ansprüche der Staats-
beamten in dem angegebenen Umfange der Rechtsweg unter folgenden Maßgaben statt: 1. der
Anstellung der Klage muß, mit Ausnahme des Falles, wo ein Beamter durch eine von der
Oberrechnungskammer getroffene Festsetzung verkürzt zu sein glaubt, die Entscheidung des
Verwaltungschefs vorhergehen; die Klage muß bei Verlust des Klagerechts innerhalb sechs
Monaten, nachdem dem Beamten die Entscheidung des Verwaltungschefs oder die Festsetzung
der Oberrechnungskammer bekannt gemacht worden, angebracht werden. 2. Die Klage ist gegen
diejenige Provinzialbehörde des betr. Verwaltungsressorts und in Ermangelung eines solchen,
sowie seitens der Justizbeamten im Bezirke des Oberlandesgerichts zu Köln gegen diejenige
Bezirksregierung zu richten, in deren Amtsbezirke der Beamte zu der Zeit, wo der streitige
Anspruch entstanden ist, vermöge seines dienstlichen Wohnsitzes seinen persönlichen Gerichtsstand
gehabt hat2). Nach § 30 Nr. 1 Ausf. G. z. G.V.G. sind die Landgerichte ohne Rücksicht auf den
Werth des Streitgegenstandes für die Ansprüche der Staatsbeamten gegen den Landesfiskus aus
ihrem Dienstverhältnisse ausschließlich zuständig (vgl. § 70 G.V.G.); ebenso schreibt § 4 G.
v. 24/5. 1861 vor, daß Berufung und Revision beiden Theilen auch dann zustehen, wenn der
Betrag der streitigen Forderung die für jene Rechtsmittel sonst vorgeschriebene Summe nicht
erreicht. Diese Vorschrift ist gegenwärtig gegenstandslos hinsichtlich der Berufung, da 8§ 472ff.
der R.C. Pr.O. die Zulässigkeit der Berufung von einer Berufungssumme nicht mehr abhängig
macht, und soweit die Revision in Frage steht, durch § 509 Nr. 2 R.C. Pr.O. ersetzt, wonach
ohne Rücksicht auf den Werth des Beschwerdegegenstandes die Revision stattfindet, in den
Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche, für welche die Landgerichte ohne Rücksicht auf den Werth
des Streitgegenstandes ausschließlich zuständig sind. 3. Die Entscheidungen der Disciplinar= und
Verwaltbehörden darüber, ob und von welchem Zeitpunkte ab ein Beamter aus seinem Amte
zu entfernen, einstweilen oder definitiv in den Ruhestand zu versetzen oder zu suspendiren sei,
über die Verhängung von Ordnungsstrafen, sowie darüber, ob und inwieweit eine geforderte
Vergütung in Ermangelung eines vorher bestimmten Betrags oder Maßstabs derselben mit
der betr. Leistung im Verhältnisse stehe, sind für die Beurtheilung der von den Gerichten geltend
gemachten vermögensrechtlichen Ansprüche maßgebend. 4. Ebenso sind bei der richterlichen
Beurtheilung nächst den, dem Beamten besonders ertheilten Zusicherungen und den Bestimm-
1) Für die im J. 1866 mit der preuß. Monarchie vereinigten Landestheile hat die V. v. 16/9.
1867 (G. S. S. 1515) bestimmt, daß hinsichtlich derjenigen Ansprüche von Staatsbeamten jener Landes-
theile aus ihrem Dienstverhältnisse die aus der Zeit vor der Publikation der V. v. 16/9. 1867 geltend
gemacht werden für die Zulässigkeit des Rechtswegs die bisherige Gesetzgebung der einzelnen Landes-
theile auch ferner in Kraft bleibt.
2) Der Stadtbezirk von Berlin wird in dieser Beziehung zum Bezirke der Regierung von Pots-
dam gerechnet; für die Prozesse in den hohenzollern'schen Landen ist die Regierung zu Sigmaringen
zur Vertretung des Fiskus befugt. § 3 G. v. 24/5. 1861.