Full text: König Albert von Sachsen. Ein Lebensbild.

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zu hindern. Die Unrichtigkeit seiner Mittelstaatenpolitik, die 
er sich anfangs als ausschlaggebend zwischen den beiden 
Großstaaten gedacht hatte, hatte zwar das Jahr 1864 dar- 
gethan; aber er konnte sich von dem Gedanken doch nicht 
trennen; jedenfalls wollte er im Entscheidungsfalle lieber mit 
OÖsterreich als mit Preußen gehen. Damit stimmten die per- 
sönlichen Sympathien des königlichen Hauses überein und 
insbesondere auch die Rechtsanschauung des Königs Johann, 
der Preußens Vorgehen am Bunde und in den Herzogtümern 
für vertragswidrig ansah. Es kam dazu der unbedingte 
Glaube an Osterreichs Ubermacht; noch immer wirkte, trotz 
mancher sehr deutlicher Beweise für einen Ausschwung Preu- 
ßens, die Erinnerung an den Tag von Olmützfort. Osterreich 
selbst war natürlich von größter Zuversicht erfüllt; der Prä- 
sidialgesandte erklärte in der Bundestagssitzung, die er am 
16. Juni mit dem zurückgebliebenen Rumpf abhielt, die kaiser- 
liche Regierung garantiere allen bundestreuen Regierungen 
ausdrücklich ihren Besitzstand. Man sprach von 6—800000 
Mann, die Osterreich ins Feld stellen werde. — Schon im 
April hatte Sachsen seine Armee auf den Kriegsfuß zu 
bringen begonnen und preußische Anfragen deswegen mit 
dem Hinweis auf seine Bundespflicht, auf den Wunsch seine 
Neutralität aufrecht zu erhalten, oder sonst ausweichend be- 
antwortet. Kronprinz Albert wurde am 19. Mai zum 
Höchstkommandierenden berufen. Da aber die Geldmittel zur 
am 20. Mai befohlenen Mobilmachung nicht vorhanden waren, 
sondern verfassungsgemäß erst bewilligt werden mußten, und 
man auch der öffentlichen Meinung, besonders da sie nicht 
mehr, wie in früheren Tagen, einhellig gegen Preußen ge- 
richtet war, eine Darlegung des Sachverhaltes schuldig war, 
so wurden die Kammern auf den 28. Mai berufen. In 
der bei der Eröffnung gehaltenen Thronrede nahm der König 
auf seine ernstgemeinten Bemühungen um die Aufrechterhal- 
tung des Bundesverhältnisses Bezug und fügte hinzu, daß er 
um dieses Zweckes willen und um von keinem unvorher- 
gesehenen Angrifse überrascht zu werden, sein Heer habe 
unter die Waffen rufen müssen. Er schloß mit den Worten: 
„Denn auch der Mindermächtige würde sich entehren, 
wenn er unberechtigten Drohungen nicht mit männlichem
	        
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