Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. I. Band, 1. Abteilung. Von den Anfängen bis zum Tode Friedrichs des Strengen (1381). (1)

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entzogenen Güter! — Dies Stück geistlichen Wahnglaubens kann uns 
bei dem Gesamtstande der damaligen Bildung nicht wunder nehmen. 
Stak allenthalben im deutschen Volke noch, wie bis auf den heutigen 
Tag, ein gutes Stück heidnischen (Glaubens, so war auch die im all- 
gemeinen ung it nichts anderem geistig genährt 
worden, als mit einer Unzahl von wunderstrotzenden Legenden. Jeder- 
mann brachte für das Wunderbare volle Gläubigkeit mit; ja, man 
war geneigt, auch im Gewöhnlichsten Bedeutsames zu erblicken, man 
enthielt sich jedes Zweifels und überbot sich im Nacherzählen und 
Steigern wunderbarer Erscheinungen. Daher sind, wie anderswo 
auch, die Annalen und Chroniken der thüringischen und meißnischen 
Lande in diesen und noch viel späteren Zeiten voll von unglaublichen 
Naturerscheinungen, als Blut-, Stein-, Fleischregen, furchtdaren Zeichen 
am Himmel, schreckliche Ereignisse vorbedeutenden Mißgeburten, sonder- 
baren Stimmen und Getösen u. s. w. Eine typische Nachricht liegt 
zum Jahre 1249 aus Erfurt vor, typisch deswegen, weil ähnliches 
bald hier, bald dort, bald mit dieser, bald mit jener mehr oder minder 
thörichten Ausschmückung erzählt wird. Am Abende vor Mariä Ver- 
kündigung (25. März) drangen zwei Kerle in die Kirche des heiligen 
Martin in genannter Stadt ein, erbrachen das Tabernakel und nahmen 
daraus das Ciborium (den Hostienbehälter), worin neun konsekrierte Hostien 
lagen, und entfernten sich damit. Wie sie auf den Roßmarkt kamen, 
schütteten sie die Hostien in eine Pfütze, den wertvollen Behälter aber 
nahmen sie mit sich fort nach Eisenach, um ihn dort bei einem Juden 
zu versetzen. Nach einiger Zeit wurde der eine der Diebsgesellen 
krank und kam zum Sterben. Auf dem Sterbebette beichtete er dem 
in letzter Stunde herbeigerufenen Priester jene Missethat, auch was 
er und sein Genosse mit den Hostien gemacht hätten. Da der Mann 
im Todeskampfe lag, so absolvierte ihn der Priester, so schwer auch 
sein Verbrechen war; dann aber begab er sich stracks nach Erfurt, um 
dort die Sache anzuzeigen. Nun hatte dort schon vorher ein am 
Roßmarkte wohnender Geistlicher zuweilen über der Pfütze, in die die 
Hostien geworfen worden waren, Lichtlein schweben gesehen. Dies und 
der Bericht des Eisenacher Geistlichen veranlaßten den damals gerade 
in Erfurt aufhältlichen Erzbischof Christian II. von Mainz, sich mit 
der ganzen Klerisei nach dem angegebenen Orte aufzumachen: richtig. 
 
	        
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