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für die naive Art, mit der das Volk, von Sympathie oder Antipathic
geleitet, sich seime Mythen bildet. Hatto nämlich, so heißt es, lud Herzog
Heinrich zu einem Gastmahle ein und versprach, ihn da mit großen
Geschenken zu ehren. Gleichzeitig aber ließ er bei einem geschickten
Goldarbeiter eine goldene Kette mit einer künstlichen Vorrichtung an-
fertigen, mit der Heinrich während des Festes erdrosselt werden sollte.
Als er mun einst bei dem Künstler eintrat, um den Fortgang der Arbeit
in Augenschein zu nehmen, muß ihm wohl plötzlich das Gewissen ge-
schlagen haben, denn er seufzte tief auf und erklärte dem Goldschmiede,
der nach dem Grunde seines Kummers fragte mit überraschender Offen-
heit, die Kette solle mit dem Blute des besten und edelsten Mannmes,
des Herzogs Heinrich benetzt werden. Als der Goldschmied nun sein
Werk vollendet und dem Erzbischof übergeben hatte, machte er sich auf.
dem Herzog entgegen, der schon auf dem Wege zum Feste war; er
traf ihn bei Kassel und erzählte ihm alles, was er von dem tückischen
Anschlag wußte. Erzürnt rief Heinrich einen Boten des Erzbischofs
herbei, der sich gerade in seinem Gefolge befand, und sogte: „Geh
umd melde Hatto, daß Heinrichs Hals nicht härter ist als der Adal-
berts (bes Babenbergers), und daß es mir klüger schien, zu Hause zu
bleiben und nachzusinnen, wie ihm zu dienen sei, als ihn mit der
Menge meines Gefolges zu belästigen.“ Als Hatto sich so um den
Erfolg seiner List gebracht sah, sei er, so will die Sage, aus Unmut
darüber gestorben. Der Tod Hattos erfolgte, das ist das einzig That-
sächliche an der Sage, eben nach dem Zuge des Königs Konrad nach
Sachsen, am 15. Mai 913. Zwei Jahre später, während Konrad
durch die lothringischen und schwäbischen Verhältnisse beschäftigt war,
zog Heinrich die in Sachsen gelegenen Besitztümer des verstorbenen
Erzbischofs ein und vertrieb die Grafen Burchard und Bardo, des
ums bekannten Grafen Burchard Söhne, aus Thüringen und verteilte
ihren Besitz sofort unter seine Getreuen. Ein Kriegszug, den Eber-
hard, des Königs Bruder, gegen den Sachsenherzog unternahm, endete
mit einer gewaltigen Niederlage vor der Eresburg, so daß die Sänger
dann das Verslein fangen:
„Kein Höllenschkund ist groß genng.
Zu fassen, die man hier erschlug.“