Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. I. Band, 2. Abteilung. Von der Landesteilung von 1382 bis zum Übergange der Kurwürde an die Albertiner (1547). (2)

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ansprucht hatte; aber dessen Nachfolger Johann nannte sich wieder 
Kurfürst und führte 1471 auf dem Regensburger Reichstag Titel und 
Wappen; auch wandte er sich 1474 an Papst Sixtus IV. Aber 
dieser suchte vergeblich zu des Lauenburgers Gunsten bei Kaiser 
Friedrich III. zu wirken, und so blieb es schließlich bei der ersten 
Entscheidung. 
Die früher mit Braunschweig und Anhalt geschlossenen Erb- 
einigungen hätten diesen beiden Häusern wohl den Schein eines be- 
rechtigten Anspruches gegeben; aber da diese Abmachungen an sich 
zweifelhafter Natur waren, da gewisse Bedingungungen auf beiden 
Beschreibung der auf Seite 682 und 683 sich gegenüberstehenden 
Bilder aus Ulrich v. Richenthals Chronik des Konzils zu Konstanz. 
Die hier dargestellten Vorgänge bilden den Hauptaktus der feierlichen Er- 
teilung eines „Fahnenlehens“, d. h. eines unmittelbar vom Kaiser selbst erteilten 
Lehens, welche den Empfänger zu einem höheren Gliede des Fürstenstandes erhob; so 
hier den Markgrafen zum Kurfürsten. Solche Belehnungen fanden seit 1180 statt bei 
jeder Besitzveränderung in den großen Adelsgeschlechtern, sowie bei jeder Kaiserwahl und 
bildeten auf den Reichstagen das größte Fest, weil sie mit höchster Prachtentfaltung 
in Erscheinung traten. Auf einem teppichbehangenen Gerüst auf dem Marktplatz der 
Reichsstadt thronte im Ornat der Kaiser, umgeben von den Kurfürsten, die die 
Reichsinsignien hielten. Fanfarenbläser gaben auf bewimpelten Instrumenten vom 
Gerüste herab die Zeichen zum Beginn der Feier. Ein „Rennhaufe“ des zu be- 
lehnenden Vasallen umreitet in schnellster Gangart das Gerüst mit dem Kaisersig 
und schwingt Fähnchen in seinen Farben; in des Haufens Mitte jedoch weht die 
rote Rennfahne, auch Reichs= oder Blutfahne genannt. Das sind die beiden Gruppen 
auf dem ersten Vilde. — Es sprengen dann die Boten des Vafallen heran, Reichs- 
fürsten von seiner Freundschaft; sie steigen von den Rossen und knieen auf den 
Stufen nieder, die zum Gerüste hinaufführen. Ihr Sprecher bittet knieend den 
Kaiser um Erteilung des Lehens. Hat der Kaiser sich bereit erklärt, so „berennt"“ 
zum zweiten= und drittenmal der Rennhaufe mit der Blutfahne das Gerüst und 
der Reichsfürst selbst kommt unter Trompeten= und Paukenschall mit seinem Gefolge 
angeritten, ihm vorauf alle Fahnen seiner Lehen. (Siehe das rechte Bild unten.) 
Auch er kniet an den Stufen des Thrones vor dem Kaiser nieder. Dem Kaiser 
reicht der Kurfürst von Mainz das Evangelienbuch und der Vasall schwört darauf 
den Eid der Treue. Dann wird dem Kaiser das Reichsschwert gereicht und bieser 
hält es dem Vasallen zum Kuß hin; einem geistlichen Fürsten ward das Szepter 
hingehalten. Darauf wurden die Fahnen gebracht, zuerst die Blutfahne, dann die 
Lehnsfahnen; der Kaiser faßt mit der Hand an jede und tiefer unten der Valal. 
Waren die Fahnen angefaßt, so wurden sie von dem kaiserlichen Herold Germaniens 
unter das schauende Volk geworsen, die Leute rissen sich darum und trugen die 
Fetzen als Beute heim. — Der Belehnte trat dann unter die Fürsten auf dem 
Gerüst. (Nach Gustav Freytag.) -
	        
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