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ansprucht hatte; aber dessen Nachfolger Johann nannte sich wieder
Kurfürst und führte 1471 auf dem Regensburger Reichstag Titel und
Wappen; auch wandte er sich 1474 an Papst Sixtus IV. Aber
dieser suchte vergeblich zu des Lauenburgers Gunsten bei Kaiser
Friedrich III. zu wirken, und so blieb es schließlich bei der ersten
Entscheidung.
Die früher mit Braunschweig und Anhalt geschlossenen Erb-
einigungen hätten diesen beiden Häusern wohl den Schein eines be-
rechtigten Anspruches gegeben; aber da diese Abmachungen an sich
zweifelhafter Natur waren, da gewisse Bedingungungen auf beiden
Beschreibung der auf Seite 682 und 683 sich gegenüberstehenden
Bilder aus Ulrich v. Richenthals Chronik des Konzils zu Konstanz.
Die hier dargestellten Vorgänge bilden den Hauptaktus der feierlichen Er-
teilung eines „Fahnenlehens“, d. h. eines unmittelbar vom Kaiser selbst erteilten
Lehens, welche den Empfänger zu einem höheren Gliede des Fürstenstandes erhob; so
hier den Markgrafen zum Kurfürsten. Solche Belehnungen fanden seit 1180 statt bei
jeder Besitzveränderung in den großen Adelsgeschlechtern, sowie bei jeder Kaiserwahl und
bildeten auf den Reichstagen das größte Fest, weil sie mit höchster Prachtentfaltung
in Erscheinung traten. Auf einem teppichbehangenen Gerüst auf dem Marktplatz der
Reichsstadt thronte im Ornat der Kaiser, umgeben von den Kurfürsten, die die
Reichsinsignien hielten. Fanfarenbläser gaben auf bewimpelten Instrumenten vom
Gerüste herab die Zeichen zum Beginn der Feier. Ein „Rennhaufe“ des zu be-
lehnenden Vasallen umreitet in schnellster Gangart das Gerüst mit dem Kaisersig
und schwingt Fähnchen in seinen Farben; in des Haufens Mitte jedoch weht die
rote Rennfahne, auch Reichs= oder Blutfahne genannt. Das sind die beiden Gruppen
auf dem ersten Vilde. — Es sprengen dann die Boten des Vafallen heran, Reichs-
fürsten von seiner Freundschaft; sie steigen von den Rossen und knieen auf den
Stufen nieder, die zum Gerüste hinaufführen. Ihr Sprecher bittet knieend den
Kaiser um Erteilung des Lehens. Hat der Kaiser sich bereit erklärt, so „berennt"“
zum zweiten= und drittenmal der Rennhaufe mit der Blutfahne das Gerüst und
der Reichsfürst selbst kommt unter Trompeten= und Paukenschall mit seinem Gefolge
angeritten, ihm vorauf alle Fahnen seiner Lehen. (Siehe das rechte Bild unten.)
Auch er kniet an den Stufen des Thrones vor dem Kaiser nieder. Dem Kaiser
reicht der Kurfürst von Mainz das Evangelienbuch und der Vasall schwört darauf
den Eid der Treue. Dann wird dem Kaiser das Reichsschwert gereicht und bieser
hält es dem Vasallen zum Kuß hin; einem geistlichen Fürsten ward das Szepter
hingehalten. Darauf wurden die Fahnen gebracht, zuerst die Blutfahne, dann die
Lehnsfahnen; der Kaiser faßt mit der Hand an jede und tiefer unten der Valal.
Waren die Fahnen angefaßt, so wurden sie von dem kaiserlichen Herold Germaniens
unter das schauende Volk geworsen, die Leute rissen sich darum und trugen die
Fetzen als Beute heim. — Der Belehnte trat dann unter die Fürsten auf dem
Gerüst. (Nach Gustav Freytag.) -