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land. Es war ein überaus hitziges Fieber, das nach kurzem Schüttel-
froste die Kräfte wie mit einem Schlage vernichtete; dazu traten Magen-
und Kopfschmerzen und eine meist 24 Stunden andauernde schlassüchtige
Betäubung, und währenddessen löste sich der Körper in einen übelriechenden
Schweiß auf. Man glaubte, daß derjenige, der in diesen 24 Stunden
durch Schütteln und andere Mittel am Schlafe gehindert wurde, die
Krankheit überstehen könne. Es scheint auch, als ob das günstig in
einigen Fällen gewirkt habe; dagegen war das andere Mittel, den
Kranken oder wer etwa krank zu werden drohte, in Betten zu packen
und in einer furchtbaren Atmosphäre erst recht zum Schwitzen zu
bringen, sicher das Verkehrteste, was man sich denken kann. Die
Krankheit trat zum letztenmal in England 1557 auf und verschwand
dann; Deutschland blieb verschont. — Mit dem Jahre 1493 ist das
erstmalige Erscheinen jener furchtbaren Krankheit verbunden, die, weil zu-
meist im Heere des französischen Königs Karls VIII. auftretend, die
französische genannt wurde und noch heute unter dem Namen der
Syphilis bekannt ist. Doch war der Charakter der Krankheit damals
ein epidemischer.
Die Kirche.
Mehrfach ist in den vorangehenden Zeilen schon der Zustand
der Kirche als mitwirkend auf die kulturellen Zustände in Betracht
gekommen. Zunächst wegen des Verhältnisses zwischen ihr und dem
mittelalterlichen Staat. Wir sahen, wie die Eingriffe des Papsttums
in die Rechtsprechung und sonstigen Angelegenheiten des Reiches und
seiner Fürsten mehrfach Gelegenheit zu Verwahrungen und berechtigten
Klagen gaben. Wir sahen ferner, daß die Landesfürsten und die städtischen
Verwaltungen mit Bedenken auf die Ausbreitung der pöpstlichen und
sonstig geistlichen Geldansprüche zu blicken begannen. Man habe hier-
bei in Obacht, wie in die kursächsischen Lande in ihrer Gesamthei,
Thüringen eingerechnet, die Erzbischöfe von Mainz und Magdeburg,
die Bischöfe ferner von Halberstadt, Würzburg, Bamberg, Havelberg
und Lebus und endlich die Landesbischöfe von Merseburg, Naumburg
imd Meißen geistlich einzugreifen Befugnis hatten, wozu bei den erst-
genannten auch bei jeglichem Konflikte noch weltliche Machtfragen zur
Hebung kamen. Was den Zeitgenossen diese verschiedentliche gesstliche