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fizieren“. — Wenn daher schon die Zeitgenossen urteilten, daß
Pfingsten und Imhoff als Sündenböcke gedient hätten, so wird
man sich heute ebensowenig dieser Beurteilung des Falles ent—
ziehen können. — — —
Es ist jedoch noch einiges aus der Zeit der Besetzung Sachsens
durch die Schweden nachzuholen. Am 2. Okt. 1706 stellte König
Karl den zu Leipzig versammelten Ständen seine Forderungen,
nachdem er sich genau über die Steuerkraft des Landes unter-
richtet hatte. Er verlangte monatlich eine Barzahlung von 625000
Talern, oder, wenn die nötige Furage geliefert werde, nur eine
halbe Million; darüber ward aber auch noch die ganze Ver-
pflegung der Soldaten von den Quartiergebern verlangt. Als
der fast nur aus Adligen bestehende Landtagsausschuß untertänigst
bemerkte, daß der Adel in Sachsen herkömmlicherweise von der-
gleichen Lasten befreit sei, da er außer den Ritterpferden nichts zu
leisten habe, herrschte der König die Herren an: „Wo sind Eure
Ritterpferde? Hätte die Ritterschaft ihre Schuldigkeit getan, so
wär' ich nicht hier! Wenn es bei Hofe zu schmausen gibt, da fehlt
von den Rittern keiner, allein wenn es fürs Vaterland gilt, da
bleiben sie alle fein still zu Haus“ uff. Karl nahm, da so die
Verhandlungen nicht fortrückten, die Verteilung der Lasten selbst
in die Hand. Um Einzelheiten zu übergehen, mag nur ge-
sagt sein, daß die Gesamtkosten dieser ein Jahr dauernden Be-
satzung für das schon durch das polnische Abenteuer stark mit-
genommene Land nach Augusts eigener Angabe 23 Mill. Taler
betrug. Viele Leute im Lande, wie es in dem Berichte der Stände
heißt, verfielen in Melancholie, in Desperation und legten Hand
an sich, daman ihnen Vieh und Hausrat unbarmherzig wegnähme
und an die sich einschleichenden Juden um halbes Geld verkaufte.
Trotz dieses allenthalben zutage tretenden Elendes betrieb König
August nach wie vor seine glänzenden Feste, Jagden, „Wirt-
schaften“, deren Mittelpunkt die auf sein Betreiben vom Kaiser Anfang
1706 zur Reichsgräfin Cossell erhobene Frau von Hoym bildete.)
*) Sie selbst und ihre Kinder schrieben sich „Cossell“; in amtlichen Aktenstücken
wird meist „Cossel“ geschrieben. Es ist kaum zweifelhaft, daß die Herrschaft Kofel
in Schlesien, die die Gräfin jedoch nie besessen, die Unterlage des Titels gegeben hat.