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reichischen Gesandten in Paris, mit Napolcon die Überzeugung
gewann, daß wenigstens zunächst nichts von Napoleon zu fürchten
sei, und da weder von Preußen noch von Rußland Hilfe zu
erwarten war, so vertagte Stadion, namentlich auf des Erzherzogs
Karl Bedenken hin, die Politik des Angriffs. Mit Zar Alexander
aber hatte sich Napoleon schon Ende Juli in Verbindung ge-
setzt und seine Zustimmung zu einer Zusammenkunft erlangt, die
der Welt dic volle Übereinstimmung des Kaisers von Westenropa
und des Selbstherrschers von Osteuropa klar machen sollte. Sie
fand zu Erfurt statt und währte vom 27. Sopt. bis 14. Okt. 1808.
Natürlich hatte der Kaiser Napolcon alle Rheinbundfürsten auf-
geboten, um den Glanz seines Auftretens zu vermehren.
Auf Boses Rat hatte der König dem Kaiser schon einen
höheren Offizier zur Begrüßung an den Rhein entgegengeschickt.
Dann reiste er selbst nach Erfurt, wo man mit peinlichster Genauig=
keit die Rangunterschiede abwog: bei der Abendvorstellung im
Theater saßen die beiden Kaiser allein auf einer Estrade in Arm-
stühlen, hinter ihnen auf niedrigeren Polstersesseln ohne Lehnen
die Rheinbundkönige, hinter diesen wieder iin Parkett die übrigen
Fürstlichkeiten. Vor den Wohnungen der beiden Kaiser stand ein
Piket Kavallerie auf Wache, vor der Türe der Könige nur ein
Doppelposten, vor denen der übrigen Fürsten ein einfacher oder
gar kein Posten. Gern wollen wir es glauben, wenn König Fried-
rich August dem Fürsten von Reuß-Schleiz gegenüber seufzend
sagte: „Glauben mir Ew. Liebden, daß es mir als einem altern-
den Manne recht beschwerlich fällt, oft weite Reisen zu machen,
um einem fremden Herrn aufzuwarten.“
Unter solchen Umständen lernte man in Sachsen jede Auf-
lehnung gegen Napoleons. Willen als Verbrechen betrachten. Als
der Kaiser von Madrid aus die Achtung des „nomm Stein“, d. h.
des preußischen Ministers von Stein, verfügte, ließ der Mi-
nister von Bose, ohne dazu von französischer Seite aufgefordert
worden zu sein, die Steinsche Besitzung Birnbaum, die im Herzog-
tum Warschau lag, mit Beschlag belegen. Der gleichen Gesinnung
machte sich der vorerwähnte Thielmann schuldig, der in ein ver-
trauliches Verhältnis zu dem Marschall Davout getreten war