Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. II. Band, 2. Abteilung. Das Albertinische Sachsen von 1815-1904. (4)

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nach § 4 dieselben Voraussetzungen, stellte aber die Altersgrenze 
auf das erfüllte 30. Lebensjahr. Es erlitt aber das aktive wie 
passive Wahlrecht eine geringfügige und doch sehr weise Ein- 
schränkung. Es stand nämlich nach § 18 das Stimmrecht nur 
denjenigen Ortseinwohnern zu, welche entweder Eigentümer an 
einem mit Wohnsitz versehenen Grundstücke im Orte waren oder 
an Grundsteuern von ihnen eigentümlich gehörigen Grundstücken oder 
an direkten Personallandesabgaben oder an beiden zusammen min- 
destens „Einen Taler“ jährlich entrichteten. Für die Wählbarkeit 
wurde der Zensus von einem Steuerbeitrag in irgend einer der 
vorgenannten Richtungen auf jährlich Zehn Taler normiert. 
Für das aktive Wahlrecht hatte die Regierung einen Zensus 
von zwei Talern in ihrer Vorlage angesetzt, die Kammer er- 
niedrigte diesen an sich recht geringen Modus auf die erwähnte 
Hälfte. Als Zweck der Wahlbeschränkung wurde ganz richtig zu- 
nächst ein politisch-praktischer angegeben, damit nämlich die schlecht- 
hin Besitzlosen nicht das Übergewicht gegen die erwerbenden und 
besitzenden Bürger erlangen sollten; höher erschien der moralische 
Gesichtspunkt, der unter der Betonung, daß durch die Taler- 
grenze keine Klasse unbedingt ausgeschlossen werden sollte, auch 
der sozialen Bedcutung nicht entbehrte. „Denn zunächst steht 
fest,“ äußerte sich über diesen Punkt der Minister des Innern 
von Nostitz-Wallwitz, „daß auf dem Lande unter denjenigen, welche 
als Besitzer eines Hauses das Stimmrecht haben, sich eine große 
Anzahl Arbeiter befinden werden, ja, m. H., vielleicht wird die 
Hälfte der Stimmberechtigten dem Arbeiterstande angehören, und 
auch in den städtischen Wahlkreisen eröffnen wir mit dem Zensus 
von einem Taler jedem Arbeiter, der sich durch Geschick, Intelli- 
genz und Fleiß auszeichnet, die Möglichkeit, das Wahlrecht zu 
erlangen“ — Worte, die ebensosehr von dem Wohlwollen der Re- 
gierung und ihrem Verständnis für die Lage zeugten, als sie 
dann durch die Praxis bestätigt wurden. Freilich dem doktrinären 
Standpunkte galt jede, auch noch so geringe Beschränkung der 
vielgepriesenen Volkssouveränität als Greuel und Verbrechen. — 
Es war ein Vorschlag der Abgeordneten von Criegern und von Kön- 
neritz eingereicht gewesen, die eine Hälfte der Abgeordneten der
	        
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