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des Handels und der Industrie, vollzogen werden. Das Wesentliche
an diesem Regierungsvorschlage bestand also in der Gleichstellung
von Bildung und Besitz, in der Betonung der Notwendigkeit einer
ständischen Vertretung und in der Rückkehr zum direkten Wahlrecht.
Die von der Regierung gegebene Begründung wies, den letzteren
Punkt betreffend, darauf hin, daß unter dem indirekten Wahl-
system dic Sozialdemokratic eher zu- als abgenommen hätte, wie
das allerdings die Reichstagswahlen von 1903 zur Evidenz be-
wiesen hatten. Die Regierungsvorlage kam am 3. Febr. 1904 in der
zweiten Kammer zur Besprechung, wobei Minister von Metzsch
zwar die Verdienste des bisherigen Wahlrechts als eines Schutz-
walles gegen die Sozialdemokratie hervorhob, doch es als einen
Mangel anerkannte, daß die dritte Klasse keine entsprechende Ver-
tretung dabei finde. In der ersten Kammer aber, die im übrigen nach
den bisherigen Grundsätzen weiterbestehen solle, müsse die Industrie
eine zahlreichere Vertretung haben. Der konservative Abgeordnete
Opitz lehnte namens seiner Fraktion ab, weil er und seine politischen
Freundc ein erneutes Eindringen der Sozialdemokratie fürchteten;
sie hätten auch Bedenken gegen berufsständische Vertretung, wären
aber nicht gegen eine vorsichtige Reform der ersten Kammer.
Letztere verlangte auch der nationalliberale Abgeordnete Schieck und
für die zweite Kammer Schutz gegen das Überwuchern der Sozial-
demokratie, fand aber das Pluralitätssystem besser als ständische
Vertretung. Die Kammer verwies darauf die Vorlage an eine
Kommission, und diese empfahl am 23. April Ablehnung, die dann
auch erfolgte. Die Parteigruppierung war damals so, daß nach
den Wahlen vom 22. Okt. 1903 sich die Kammer aus 56 Konser-
vativen, 23 Nationalliberalen, 1 Deutschfreisinnigen, 1 Wildlibe-
ralen und 1 Reformparteiler zusammensetzte, daß also, wovon
schon an anderer Stelle die Rede war, die konservative Partei sich
bei weitem in der Mehrheit befand. Ubrigens erklärte König
Georg am 19. Mai 1904 bei Schluß des Landtags, daß die Regie-
rung die Anderung des Wahlrechts nicht aus den Augen ver-
lieren werde.
Wie nicht anders zu erwarten war, erhob sich schon während
der Verhandlungen über das Wahlgesetz vom 28. März 1896 und