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auch versucht worden, durch Verbreitung sozialistischer Schriften
in den Kasernen den Geist der Revolution zu verbreiten. Noch
neuerdings hat dies im Oktober 1907 der vor dem Reichsgericht
zu Leipzig sich abspielende Prozeß gegen den jüngeren Liebknecht,
den Sohn des bekannten Agitators, bewiesen, der mit der Ver-
urteilung des Angeklagten endigte und enden mußte. Schon am
9. Aug. 1900 aber sah sich der sächsische Kriegsminister genötigt,
eine Bekanntmachung zur Unterdrückung revolutionärer und sozial-
demokratischer Bestrebungen in der Armee zu erlassen. Möge
ihm der gesunde und gute Geist unserer Armee hierin entgegen-
kommen und sich als ein Fels erweisen, an dem zerstörende Be-
strebungen wirkungslos abprallen!
Daß das Jahr 1893 für die gesamte deutsche Armee und
damit auch für die sächsische von hoher Bedeutung wurde, ist im
vorstehenden schon mehrfach zu Erwähnung gekommen. Die ent-
sprechende Vorlage war vom Reichstage am 6. Mai 1893 ab-
gelehnt und dieser deshalb noch am selben Tage aufgelöst worden.
Die Neuwahl am 15. Juni und die sich anschließenden Stichwahlen
ergaben zwar eine Vermehrung der Sozialdemokraten, aber eine
nicht unerhebliche Verminderung der Freisinnigen und des Zen-
trums, dagegen eine erhebliche Vermehrung der Konservativen,
der Reichspartei und der Nationalliberalen, so daß die Vorlage
am 15. Juli 1893 mit 201 gegen 185 Stimmen angenommen und
als Gesetz am 8. August publiziert wurde. Danach wurde die
Friedenspräsenzstärke des deutschen Heeres an Gemeinen, Ge-
freiten und Obergefreiten für die Zeit vom 1. Okt. 1893 bis
31. März 1899 auf 479229 Mann festgelegt, und zwar sollte in
der genannten Zeit die Infanterie in 538 Bataillonen und 173
Halbbataillonen, die Kavallerie in 465 Eskadrons, die Feldartillerie
in 494 Batterien, die Fußartillerie in 37 Bataillonen, die Pio-
niere in 23 Bataillonen, die Eisenbahntruppen in 7 Bataillonen
und endlich der Train in 21 Bataillonen formiert werden. Ge-
wissermaßen als Gegenleistung hatte die Reichsregierung einer
schon immer von liberaler Seite ausgegangenen Anregung folgend,
die dreijährige Dienstzeit für alle Truppen auf zwei Jahre herab-
gesetzt, mit Ausnahme der Kavallerie und der reitenden Artillerie,
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