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(Schulgesetz vom 15. Oktober 1874) auf die Hebung der geistigen
und sittlichen Erziehung einen derartigen Einfluß gewonnen haben,
daß nach kurzer Zeit schon derselbe in den allgemeinen Zuständen zu
erkennen ist.)
11. Wohnung. Nahrung. Cracht.
Die Ausstattung der Wohnungen wird immer von den
Erwerbsverhältnissen bedingt. Ist der Erwerb ausgiebig, so bleibt
nach Befriedigung der Anforderungen von Nahrung, Kleidung und
Heizung immer noch Einiges für die Ausstattung und Verschönerung
der Wohnung, — abgesehen von den Ausgaben für Vergnügungen.
Freilich wird Manches von dem Einen für schön gehalten, was
der Andere vielleicht häßlich findet; aber so viel bleibt gewiß, daß
selbst der Aermste das Bedürfniß hat, seine Wohnstätte zu schmücken.
Anders geschieht dies in reichen, wohlhabenden Bezirken, anders in
armen Gegenden, deren Bewohner sich mühsam durchs Leben schlagen.
Man glaube nicht, daß das Volk in seinen unteren Schichten interesselos,
oder feindselig der Kunst gegenüber stehe. Auch der geringste Arbeiter
in seinem Kampfe um das Dasein hat den Drang, sein Gemüth an
der Betrachtung des Schönen zu erheben. Nur der Mangel an
Besserem läßt ihn nach dem Geringeren greifen; nur weil ihm das
Verständniß für edlere Farbengebung noch nicht eröffnet ist, greift er
nach dem Grellen und Bunten, ganz wie das Kind, welches noch
nicht verstehen gelernt hat, was das Bessere sei. Daher kommt es,
daß ein greller Oeldruck mit aufgeklebter Gold= und Silberverzierung
als das Ideal eines Gemäldes erscheint, und weil er diesen gerade
mit seinen geringen Mitteln erkaufen kann, kauft er ihn zur Befriedigung
seines idealen Strebens. Nicht weil der Sinn für edlere Formen
und Farben ertödtet, sondern weil er noch nicht erweckt ist, wird der
dunkle Drang des Volkes nach Schönem die ausgiebigste Domäne
für die geschmacklosesten Bilder und durch schreiende Farben und
niedrige Preise sich Eingang verschaffenden anderen Dinge.
Wenn auch die Wohnungen im Osten und Westen mancherlei
Verschiedenheiten aufweisen, ebenso wie zwischen niederem und oberem
Gebirge, oder vorwiegender Ackerbau= und vorwie#zender, wo nicht
*) Bettler sieht man auf dem Gebirge sehr selten, wenigstens auf der
sächsischen Seite, eher noch auf der böhmischen. Dieß sei hauptsächlich erwähnt,
um auf den Unverstand einzelner Touristen hinzuweisen, welche durch gedanken-
loses Geben, besonders Kindern, das gemeinschädliche, sittenverderbliche und ent-
würdigende Betteln geradezu lehren.