Full text: Das Erzgebirge in Vorzeit, Vergangenheit und Gegenwart.

– 135 — 
(Schulgesetz vom 15. Oktober 1874) auf die Hebung der geistigen 
und sittlichen Erziehung einen derartigen Einfluß gewonnen haben, 
daß nach kurzer Zeit schon derselbe in den allgemeinen Zuständen zu 
erkennen ist.) 
11. Wohnung. Nahrung. Cracht. 
Die Ausstattung der Wohnungen wird immer von den 
Erwerbsverhältnissen bedingt. Ist der Erwerb ausgiebig, so bleibt 
nach Befriedigung der Anforderungen von Nahrung, Kleidung und 
Heizung immer noch Einiges für die Ausstattung und Verschönerung 
der Wohnung, — abgesehen von den Ausgaben für Vergnügungen. 
Freilich wird Manches von dem Einen für schön gehalten, was 
der Andere vielleicht häßlich findet; aber so viel bleibt gewiß, daß 
selbst der Aermste das Bedürfniß hat, seine Wohnstätte zu schmücken. 
Anders geschieht dies in reichen, wohlhabenden Bezirken, anders in 
armen Gegenden, deren Bewohner sich mühsam durchs Leben schlagen. 
Man glaube nicht, daß das Volk in seinen unteren Schichten interesselos, 
oder feindselig der Kunst gegenüber stehe. Auch der geringste Arbeiter 
in seinem Kampfe um das Dasein hat den Drang, sein Gemüth an 
der Betrachtung des Schönen zu erheben. Nur der Mangel an 
Besserem läßt ihn nach dem Geringeren greifen; nur weil ihm das 
Verständniß für edlere Farbengebung noch nicht eröffnet ist, greift er 
nach dem Grellen und Bunten, ganz wie das Kind, welches noch 
nicht verstehen gelernt hat, was das Bessere sei. Daher kommt es, 
daß ein greller Oeldruck mit aufgeklebter Gold= und Silberverzierung 
als das Ideal eines Gemäldes erscheint, und weil er diesen gerade 
mit seinen geringen Mitteln erkaufen kann, kauft er ihn zur Befriedigung 
seines idealen Strebens. Nicht weil der Sinn für edlere Formen 
und Farben ertödtet, sondern weil er noch nicht erweckt ist, wird der 
dunkle Drang des Volkes nach Schönem die ausgiebigste Domäne 
für die geschmacklosesten Bilder und durch schreiende Farben und 
niedrige Preise sich Eingang verschaffenden anderen Dinge. 
Wenn auch die Wohnungen im Osten und Westen mancherlei 
Verschiedenheiten aufweisen, ebenso wie zwischen niederem und oberem 
Gebirge, oder vorwiegender Ackerbau= und vorwie#zender, wo nicht 
*) Bettler sieht man auf dem Gebirge sehr selten, wenigstens auf der 
sächsischen Seite, eher noch auf der böhmischen. Dieß sei hauptsächlich erwähnt, 
um auf den Unverstand einzelner Touristen hinzuweisen, welche durch gedanken- 
loses Geben, besonders Kindern, das gemeinschädliche, sittenverderbliche und ent- 
würdigende Betteln geradezu lehren.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.