— 201 —
verhältnisse der einzelnen Theile diesen Grundlehren entsprechend zu
bestimmen und durch eine ganz gleichmäßige Arbeit, durch Anwendung
von Hilfsmaschinen, durch vorzügliches Material und endlich durch
die sorgfältigste Prüfung und Regulirung der fertigen Werke nur
vollkommen tadelloses Fabrikat in den Handel zu bringen.
Der anfangs der vierziger Jahre über das Erzgebirge herein-
gebrochene Nothstand zu dessen Beseitigung zahlreiche Vorschläge ge-
macht und mancherlei Anläufe genommen wurden, reifte bei Lange
den Gedanken, die Uhrmacherkunst in Sachsen einzuführen. Er wollte
dem Erzgebirge, das an der Strohflechterei und Weberei dahinsiechte,
einen neuen Erwerbszweig schaffen und dem Vaterlande eine immense
Summe Geldes erhalten, das für ausländisches, theilweise recht werth-
loses Fabrikat über die Grenze getragen wurde. Auch in Schlesien
machte man den Versuch, sich von den Schweizer Fabrikaten unabhängig
zu machen. Dies führte zu der Construction der Regulatoren. Lange
dagegen beabsichtigte die Einführung der Fabrikation von Taschenuhren.
Er legte seine Pläne der Regierung vor, welche auch sehr bald darauf
einging, daß mit ihrer Unterstützung eine Lehranstalt für Uhrmacher
errichtet werden sollte.
In Glashütte an der Müglitz, einem der ärmsten Städtchen des
Gebirges, wurde 1845 diese Anstalt eröffnet. „Die Anlernung der
nach und nach auf 32 angewachsenen Schüler", sagt Professor C. Bruhns
in einem Aufsatze über die Uhrenfabrikation in Glashütte, „war eine
der schwierigsten Aufgaben, und ringsum schüttelten Viele spöttisch den
Kopf über das vermeintliche Wahngebilde, mit diesen unwissenden,
schlaffen und mannigfach verwahrlosten jungen Leuten ein so schwieriges
Werk beginnen zu wollen. Der thatkräftige Lange ließ sich aber da-
durch nicht irre machen, und er hat recht behalten. Gerade mit diesen
jungen Leuten hat er seine besten Erfolge erzielt. Was sind aus
ihnen für tüchtige, strebsame Meister geworden! Sämmtlich Familien=
väter und Bürger, bilden sie den Stamm der Fabrik, die jetzt (1879)
aus vielen in der Stadt zerstreuten kleinen Werkstätten und aus 160
Köpfen besteht.“ Gegenwärtig beaufsichtigen und leiten die heran-
gebildeten Lehrmeister und Lehrmeisterinnen nahezu 200 Arbeiter.
Als Grundmaß für die Uhrenfabrikation führte Lange das
Millimeter und seine Theile ein. Vermittelst eines von ihm selbst
construirten und seitdem in der Glashütter Uhren= und Werkzeug-
Fabrikation eingeführten Fühlhebels vermochte er bis zum hundertsten
Theile des Millimeter genau zu messen und daher eine Sicherheit und
Gleichmäßigkeit in der Anfertigung der einzelnen Uhrentheile zu er-
reichen, welche man vorher nirgend gekannt hatte. Nächstdem führte
er die seiner Schule eigenartige Methode ein, selbst die kleinsten und