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angelegt, eine fast 200 Jahre alte, durch Privilegien geschützte und
mannigfach vervollkommnete Industrieanlage, welche in großartigem
Umfange Gold- und Silberdrähte, Lahn, Gespinnste, Flitter, sowohl
echt, als auch plattirt und leonisch (unecht — nach der ersten An—
fertigung falschen Goldes in Lyon so benannt), sowie Tressen, Spitzen,
Gallonen, Schnüre, Fransen, Quasten, Flitterstickereien u. s. w.
Die Eisengießerei, Maschinenfabrik und Kesselschmiede fertigt
Pumpen, Müllereimaschinen, landwirthschaftliche Maschinen; nächst
ihnen besteht eine Kupferschmiederei und Kesselschmiede, eine Metall—
tuch= und Drahtgewebe-Fabrik.
Die Fabrik wissenschaftlicher Präcisionsinstrumente ist bekannt
durch ihre geodätischen, astronomischen, berg= und hüttenmännischen
Meß= und Hilfswerkzeuge.
Besonders interessant für den Laien ist die von Olbernhau nach
Freiberg übergesiedelte Fabrikation von Lehrmitteln und feinen Spiel-
waaren. (V. Dürfeld Nachfolger). Sie fertigt naturgetreue Nach-
bildungen aller Arten von Obst (Aepfel, Birnen, Kirschen, Pflaumen,
Aprikosen, Pfirsiche 2c.), Kartoffeln, Rüben, Gurken, Pilze (94 Arten,
darunter 46 eßbare) ferner Thiere in ½10 u. Gr. (Rinder-, Pferde-,
Geflügelrassen u. s. w.).
Die Bleiwaarenfabrik (Jung und Lindig) fertigt Bleche, Folien,
Draht, Rohre, Schrot, Kugeln und Gefäße von Blei; sowie Rohre,
Bleche und Gefäße von Zinn. Die Zinngußwaarenfabrik (C. W. Pilz,
1764 gegr.) Ornamente, Spielwaaren, Verzierungen (für Sarg,
Christbaum, Hut, Schuh u. s. w.) und Wirthschaftsgegenstände.
Außer der Fabrik feiner Lederwaaren (A. Schlegel), in welcher
Necessaires, Mappen, Etuis, Bestecke, Kästen u. s. w. gefertigt werden,
sind noch die Lederfabrik, Treibriemenfabrik, Bürsten= und Pinsel-
fabrik zu nennen. Im engsten Zusammenhange mit der Production
der Hütten bestehen fünf Fabriken künstlicher Düngemittel.
Die 1181 (wahrscheinlich jedoch erst 1189) gegründete Stadt
Freiberg wuchs schnell und erhielt in Folge des Bergsegens ein
reich ausgestattetes Ansehen, eine originelle und wohlhäbige Architektur.
Aber die großen Brände von 1375, 1386, 1471 und 14384, be-
sonders aber die harten Belagerungen 1639 und 1643 haben Vieles
von der Ausstattung und dem Schmucke der Bürgerhäuser zerstört.
Dessen ungeachtet deuten noch mancherlei Ueberreste auf die ursprüng-
liche Anlage zurück. Eingangsthüren, Flurgewölbe, Wendeltreppen,
Erker, Verzierungen durch bergmännische Wahrzeichen, Bergmanns-
figuren, aber auch Heiligenbilder bezeichnen das Ende des 15.
und die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts als die Periode ihrer