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Bei der eigenthümlichen Organisation des Geschäftsganges inner-
walb der Posamentenindustrie bildet der Verleger (Factor) das Binde-
glied zwischen den Großkaufleuten und den Arbeitern der Hausindustrie,
wenn sich nicht Kaufmann und Verleger in einer Person vereinigen,
wie bei einem großen Theile der erzgebirgischen Häuser. Die Ver-
leger erhalten von den Geschäftshäusern Aufträge, gewisse Artikel nach
vorgeschriebenen Mustern und innerhalb einer bestimmten Zeit von
den betreffenden Arbeitern in ihren Wohnungen anfertigen zu lassen.
Sie empfangen das nöthige Rohmaterial (Schnuren, Seide, Garn,
Perlen rc.) und vertheilen dieses nach ihrem Ermessen an die ein-
zelnen Arbeiter in den verschiedenen Orten. Diese fertigen nun die
Theile zu gewissen Posamenten; der Eine macht Scheibchen, der An-
dere Glöckchen, Schleischen, Gehänge; der Eine Fransen, der Andere
Schnuren, Faden, Cordel; der Eine Knöpfe, der Andere Band, Be-
satz, Einfassung und wie die einzelnen Theile alle heißen, welche
wiederum durch dritte und vierte und mehr Arbeiter zu einzelnen Ab-
schnitten eines Musters oder zum Ganzen zusammengestellt werden.
Dabei wandern die einzelnen Bestandtheile eben so wie das Roh-
material aus einer Hand in die andere und von einem Orte zum
anderen; von Annaberg und Buchholz gebirgsaufwärts nach Königs-
walde, Bärenstein, Stahlberg, Wiesenthal und von da wieder zurück
bis in die Hände des Großkaufmanns, welcher die Modewaaren-
geschäfte in Berlin, London, Neuyork mit diesen Artikeln versorgt.
Durch exacte Arbeit und pünktliche Lieferung ist die französische
Concurrenz, wenn auch nicht überwunden, so doch bestanden worden.
Es war schwierig, da die Arbeiter nur langsam die französische Manier,
auf Holzringen zu arbeiten, annahmen (was das Abnähen der Agré-
ments wesentlich erleichtert) und die geschickte und geschmackvolle An-
ordnung der einzelnen Theile, welche dem Franzosen geläufig ist, erst
allmälig mit Anstrengung angelernt sein wollte. Die übertriebenen
Lohnforderungen, welche die Arbeiter stellten, bedrohten außerdem eine
Zeit lang diesen Industriezweig, der seinen Aufschwung den billigen
Arbeitslöhnen zu verdanken hatte .. Vor Allem aber scheint die
Wiedereinführung des Veredelungsverkehrs mit Böhmen nöthig zu sein,
da der gegenwärtige Zustand, welcher die Benutzung der böhmischen,
billigeren Arbeitskräfte für gewisse Bestandtheile und ihre Anfertigung
ausschließt, die erzgebirgische Posamentenindustrie, vor Allem die An-
fertigung der billigen, zumeist gesuchten Gorlartikel 2c. zu vernichten droht.
Von den Erzeugnissen der Posamenten-Industrie sind gegenwärtig
die nachstehenden zu nennen. Genähte Ornamente, Gimpen und
Garnituren aus wollener Soutache (Crottendorf, Sehma, Cranzahl rc.);
Besätze und Ornamente aus Seidenschnuren, matt, aber auch mit