Full text: Das Erzgebirge in Vorzeit, Vergangenheit und Gegenwart.

— 503 — 
so braucht Deutschland nur noch etwa 3 Millionen Spindeln, um den 
eigenen Bedarf zu versorgen, während Großbritannien 34 Millionen 
Spindeln zu viel hat, mit deren Erzeugnissen es den Markt der an- 
deren Nationen bedrückt. Die Lage der Baumwollenspinnerei hat sich 
daher von Jahr zu Jahr verschlechtert, der Fortbetrieb der Spinne- 
reien wurde nur mit schweren Opfern und zum Theil durch Be- 
schränkung der Arbeitszeit ermöglicht. Die fortdauernde wirthschaft- 
liche Krisis in Verbindung mit der wachsenden Verdienstlosigkeit und 
der dadurch verminderten Consumtionsfähigkeit, die immer mächtiger 
werdende englische Concurrenz, endlich der constante Rückgang der 
Rohstoffpreise und die damit in Verbindung stehende Entwerthung 
der vorhandenen Lager fertiger und halbfertiger Waaren fanden erst 
seit 1880 ein Ende, so daß von da an wiederum normale Verhält- 
nisse und ein befriedigender Geschäftsgang eintraten. Das Jahr 1884 
gestaltete sich allerdings wieder sehr ungünstig. „In dieser schlech- 
testen Periode für die Baumwollenspinnerei blieb englischen Offerten 
gegenüber auch deutschen Spinnern nichts übrig, als sich ins Unver- 
meidliche zu fügen und Aufträge zu sehr geringen Preisen anzu- 
nehmen." Die Lohnspinnerei für Zwischenhändler hatte aber schon 
frühzeitig durch mangelhafte Garne den Ruf der Chemnitzer Mule- 
Spinnerei für Webzwecke bedeutend geschädigt, und es kostete große 
Anstrengungen, diese Scharte wieder auszuwetzen. Die Strumpfgarn- 
und Medio-Spinnereien, welche meist mit größeren Geldkräften ar- 
beiteten und in ihren Einrichtungen mit allen Fortschritten der Technik 
stets gleichen Schritt hielten, arbeiteten meist für den heimischen Be- 
darf und bewahrten durch anerkannte Solidität ihren alten, guten 
Ruf. Man fabricirte alle Sorten baumwollene Strick= und Häkel- 
garne, auch cordonnirte Häkelgarne in roh und gebleicht, gefärbt, bunt 
in der Wolle gefärbt; ferner halbwollene Strickgarne in weiß und 
bunt; nach Kammgarnsystem bunte (Merino-) Strumpfgarne in den 
Nrn. 6 bis 60. Strick= und Häkelgarne, besonders bunte, einfarbige, 
finden großen Absatz, vor allem im Deutschen Reiche. Von Web- 
garnen waren Kettengarne in den Nrn. 6 bis 32 und prima Water 
in den Nrn. 26 bis 32 gesucht. Das Absatzgebiet ist der Zollverein, 
ganz Europa mit Ausnahme von Spanien und Portugal, die Ver- 
einigten Staaten, Brasilien; die außerdeutschen Länder jedoch nur in 
geringem Umfange. Die Strumpfbranche, welche für die heimische 
Spinnerei so wichtig ist, lag während des ganzen Jahres 1884 dar- 
nieder und die anerkannt guten sächsischen Marken in Strumpfgarnen 
wurden vielfach durch minderwerthige auswärtige Gespinnste ersetzt. Erst 
in dem letztvergangenen Jahre trat ein nachhaltiger Aufschwung zum 
Besseren ein, von dem auch die Baumwollenspinnerei erfaßt wurde.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.