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Ueberreste der alten Stücke die Motive gaben, sowie der hinter dem
Hauptaltare befindliche Paramentenschrank legen Zeugniß für die bis
ins kleinste Detail durchdachte Wiederherstellung ab. Der Taufstein
ist eine reiche, sehr schöne Arbeit aus der ersten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts. Die an der Kanzel um 1550 eingefügten Rundbildnisse
aus gebranntem und bemaltem Thon bezeugen die hohe Entwickelung
der mittelalterlichen Töpferkunst. Das in der nordöstlichen Emporen-
halle aufgestellte, 1833 erneuerte heilige Grab ist eine reich durch-
brochene Schnitzarbeit von Laub= und Fruchtwerk in Holz. Die
Orgel und die Sängerempore liegen zu hoch. Von den buntgemalten
Glasfenstern wurden die letzten 1517 und 1520 eingesetzt und unge-
fähr zu gleicher Zeit der größte Theil der die Außenseiten schmücken-
den Statuen aufgestellt.
Aber die schon 1521 eintretenden, durch Thomas Münzer
lebhaft geschürten Unruhen und Bilderstürme unterbrachen diese Arbeit.
Die aufgestellten Statuen wurden herabgestürzt, die übrigen bei Seite
gebracht und das Innere der Kirche im Sinne der Bilderstürmer
gesäubert. Zahlreiche Kunstwerke und Kleinodien, Monstranzen, Kelche,
Kreuze u. s. w. wurden zerstört, oder eingeschmolzen oder ver-
schleudert. Die Nebenaltäre, das Sacramentshäuschen, der Chrisam-
schrank u. s. w. wurden beseitigt, und der kaum vollendete Kirchenbau
durch Unverstand und reformatorischen Eigensinn über alle Maßen
geschädigt. Alle silbernen oder vergoldeten Heiligenbilder wurden
zerschlagen und verkauft; die alten, schönen Chorstühle vielfach ver-
stümmelt; zahlreiche An= und Einbauten in system= und geschmack-
loser Weise eingefügt; ein Theil der gemalten Fenster und der
Butzenscheibenfenster durch gewöhnliches Glas ersetzt, und endlich
1819 verkaufte man die noch vorhandenen 30 gemalten Glasfenster
für 200 Thaler! Die sogenannte Restaurirung der Kirche in den
Jahren 1839 bis 1842 reinigte die Kirche von den zopfigen Zu-
thaten, ohne eine wirkliche Wiederherstellung dieses eigenartigen,
kostbaren und in allen Beziehungen hervorragenden Bauwerkes zu
bewirken. Erst seit 1883 brach der Gedanke sich Bahn, das wankel-
müthiger und schadhafter werdende Aeußere der Kirche einer wirklichen
Wiederherstellung zu unterwerfen und unter Ausbeutung aller bis
jetzt gewonnenen Kenntniß mittelalterlichen Kunst vollkommen wieder
herzustellen. Der stilgerechten Restaurirung des Innern soll die
plastische Ausschmückung des Aeußern würdig zur Seite stehen.
Die Marienkirche in Zwickau zeichnet sich vor den mit ihr
nahezu gleichzeitig entstandenen Kirchenbauten der Meißnischen Bau-
hütte vor Allem dadurch aus, daß ihr Aeußeres unter völlig or-
ganischer Kenntlichmachung der inneren Disposition mit einem geradezu