1848 Ludolf Camphausen. 197
sehr bald erleben, daß jene Zusage ihn nicht vor sehr bedenk-
lichen Schritten behüten würde. Ganz anders aber verlief
sich die Verhandlung mit Camphausen.
Ein geborener Rheinländer, einst Führer der ständischen
Opposition in dieser Provinz, dann Präsident des ersten
preußischen Märzministeriums, hatte Ludolf Camphausen in
dieser Stellung mit fester Hand die Aufgabe gelöst, trotz des
Straßenkampfes vom 18. März den gesetzlichen Zusammenhang
zwischen der alten und der neuen Zeit in Preußen aufrecht
zu erhalten. Durch die strenge Durchführung dieses Stand-
punkts gewann er das bleibende Vertrauen des Königs, er-
regte aber auch den wilden Zorn der demokratischen Partei
im Hause und auf der Straße gegen sich, so daß am 20. Juni
sein Ministerium sich auflöste, und der König, nach einer
Aufforderung des Erzherzogs, ihn bald darauf als künftigen
Reichsmirister nach Frankfurt sandte. Außerlich keine ein-
nehmende Erscheinung, eine lange, gerade aufgerichtete Gestalt,
ein hageres Gesicht mit großen Augen und scharfen Zügen,
im Verkehr bei der ersten Anknüpfung trocken und zugeknöpft;
ein Mann von ruhigem Temperamente, von gediegener Rein-
heit des Charakters, von eindringendem, man möchte sagen,
bohrendem Verstande, und vor Allem von unerschütterlicher
Entschlußkraft. In der deutschen Sache schlug sein Herz so
warm wie irgend eines für die Erhebung des großen Vater-
landes zu einer besseren und wirksameren Stellung als unter
dem Elend des alten Bundestags. Aber seinem stets auf das
Praktische und Erreichbare gerichteten Sinne erschien Dahl-
mann's preußisch-deutsches Kaiserthum bei den damaligen Ver-
hältnissen als ein doctrinärer Traum, gegenüber einem öster-
reichischen Reichsverweser, mehreren hundert österreichischen