Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

1855 Staatsstreich in Hannover. 169 
einen Wortbruch nicht selbst begehe, wenn man einen Vor— 
gesetzten veranlasse, den Wortbruch zu befehlen. Aber es 
widerstrebte seinem souveränen Gefühle, dem Bunde die hiebei 
unerläßliche Stellung einer vorgesetzten Behörde zuzuerkennen, 
und anderthalb Jahre vergingen unter fortdauernden Schwan- 
kungen ergebnißlos. Indessen legte der Reactionsausschuß 
unter fortdauernder Mitwirkung Hannovers ein colossales 
Verzeichniß angeblich bundeswidriger Bestimmungen der Ver- 
fassung von 1848 an, und nachdem der Bundestag durch 
Beschluß vom 12. April 1855 die Beschwerden der Ritter- 
schaften als berechtigt anerkannt und am 19. April die 
Reinigung der Verfassung von jenen Bestandtheilen verfügt 
hatte, kam dann endlich auch der König zum Entschlusse, und 
beauftragte sein zu diesem Behufe ernanntes Ministerium 
Graf Kielmannsegge-von Borries am 1. August 1855 mit 
der Ausführung der Bundesbeschlüsse. 
Von den bisherigen Rechten der Ständeversammlung 
wurde hiemit ein erheblicher Theil hinweg geschnitten, die 
Ritterschaft in die alten Vorrechte wieder eingesetzt, und jeder 
Widerstand im Lande durch neue Bundesgesetze über Presse 
und Vereine, sowie durch weitere Octroyirung verschärfter 
Polizeigesetze 1856 gründlich unterdrückt. Die Ritterschaften 
waren seitdem begeistert für ein ihnen so wohlgesinntes 
Königthum; sonst aber war im Lande die Verehrung für 
den Bundestag ebenso gründlich erschüttert, wie die Anhäng- 
lichkeit an das Welfenhaus.
	        
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