1857 Wachsende Verstimmung zwischen Österreich und Preußen. 277
zu treffen, welche auf ein so hervorragendes Mitglied des
Bundes, wie Osterreich, unanwendbar blieben, würde nicht zur
Förderung der Einheit des Bundes, sondern zur Befestigung
einer Ausbildung der einzelnen Theile in abweichender Rich-
tung führen. Vor allen Dingen möge also der sächsische
Minister sich über die Stellung Osterreichs zu diesen Fragen
unterrichten.
Ganz nach diesem Entwurfe ließ Herr von Manteuffel
seine Depesche nach Dresden gestalten, und den Inhalt der-
selben in Wien mittheilen. Den Verdruß des Grafen Buol
zu schildern, können wir uns versagen. Es war gegen die
Ausführung nichts aufzubringen, aber um so empfindlicher
war es, daß sie die schwachen Seiten des absolutistischen
Kaiserstaats so unbefangen aufdeckte, oder vielmehr sie als
selbstverständlich bekannt voraussetzte. Sehr bestimmt nahm
man sich vor, die Entgegnung nicht schuldig zu bleiben.
Indessen wurde für den Augenblick der diplomatische
Schriftwechsel durch einen raschen Entschluß des Königs von
Preußen unterbrochen. Die gepreßte und reizbare Stimmung,
mit welcher der Monarch aus der Neuenburger Verhandlung
herausgetreten, hatte sich seitdem durch die wachsende Span-
nung mit Österreich fortdauernd verschlimmert. Denn auch
hier war, wie so häufig, seine Seele von streitenden Empfin-
dungen bewegt. Er sah wohl, daß seine Herrscherpflicht ihm
weitere Nachgiebigkeit verbiete, aber trotz aller Kränkungen
erschien ihm doch immer noch die Vorstellung eines völligen
Bruches mit dem Kaiserhause abscheulich. Seine besten Jugend-
erinnerungen wurzelten in der Waffenbrüderschaft von 1813,
seine Mannsjahre waren erfüllt von dem Cultus der heiligen
Allianz, bei seiner Thronbesteigung lag ihm die letztwillige