Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

404 Conflicte auf allen Seiten. 1861 
seiner auswärtigen Politik einverstanden sei; dies aber scheine 
ihm einstweilen zweifelhaft, da der König in legitimistischer 
Achtung vor jedem gekrönten Haupte auch den gegen Preußen 
feindseligsten Fürsten kein Haar krümmen wollte. Roon ver- 
anlaßte darauf eine Berufung Bismarck's zum Könige nach 
Baden, wo Bismarck's erstes und letztes Wort an den Mo- 
narchen die Mahnung zu einer tapfern Politik war. In- 
dessen löste sich in diesem Moment die Krisis noch einmal 
in friedlicher Weise: das Ministerium schlug dem Könige 
anstatt der Erbhuldigung eine feierliche Krönung in Königs- 
berg am 18. October vor, und der König genehmigte dies 
als einen Akt von noch höherer Weihe, der nur einmal, bei 
der Verwandlung des brandenburger Kurhuts in die preußische 
Königskrone, und seitdem nicht wieder stattgefunden hatte. 
Diese Feier im Auge, befestigte er sich in dem Gedanken, 
seiner auswärtigen Politik ohne Anderung ihrer Tendenz doch 
einen etwas kräftigern Ton als bisher zu geben. Nachdem 
er Anfang October den Besuch Napoleon's in Compiêgne 
erwidert, und auf's Neue mit dem Kaiser Versicherungen von 
Friede und Freundschaft ausgetauscht hatte, ernannte er an 
Schleinitz's Stelle nicht Bismarck, von dem er unnöthige 
Wagnisse besorgte, sondern den Grafen Bernstorff zum Mi- 
nister, und reiste dann nach Königsberg, um in kirchlichem 
Pompe die Krone sich auf das Haupt zu setzen. Den feier- 
lichen Act erlebte er in tiefer Gemüthsbewegung, als ein 
Gelöbniß treuer Pflichterfüllung im Angesichte Gottes des 
Herrn. Eingedenk dessen, sagte er dann den anwesenden 
Landtagsmitglicdern und Ständen: da die Krone nur von 
Gott kommt, habe ich durch die Krönung an geheiligter Stätte 
bekundet, daß ich sie in Demuth aus seinen Händen empfangen
	        
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