Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

420 Conflicte auf allen Seiten. 1861 
Bei diesem letzten Punkte drängt sich die Frage auf, 
wie man die Regierung zu einer deutschen Politik, deren 
Beginn mit einem großen Kriege gleichbedeutend war, drängen, 
und ihr zugleich das erste Mittel zum Krieg, eine streitfähige 
Armee, versagen wollte. Die Antwort ist, daß die Partei 
an keinen Krieg wegen der deutschen Frage glaubte. Bei 
den Erfolgen des Nationalvereins, bei der Stimmung mehrerer 
deutschen Kammern, bei der überall sich rührenden Agitation 
für die deutsche Einheit dachte sie, wenn Preußen nur die 
Volksgunst gewinne, würden sehr bald nach seinen Plänen die 
Massen und die Kammern die widerstrebenden Regierungen 
zur Unterwerfung nöthigen: dafür aber sei die erste Be- 
dingung, daß das preußische Ministerium im Innern durch 
und durch liberal auftrete, die Verfassung freisinnig ausbaue, 
und vor allen Dingen einer so höchst unbeliebten und reac- 
tionären Maaßregel, wie der Verstärkung des stehenden Heeres, 
den Rücken kehre. Freilich, wer sich der Haltung Osterreichs 
im Jahre 1850, des 1859 bei dem schwäbischen und 
bayerischen Volke erschienenen Hasses gegen Preußen, sowie 
des überall hervortretenden Widerspruchs der klerikalen Partei 
gegen die kleindeutschen Bestrebungen erinnerte, dem mußte 
bei jenen Reden eines unklaren Enthusiasmus bedenklich zu 
Muthe werden. 
Dennoch aber rückte die Mehrheit der frühern ministeriellen 
Partei den Männern des Fortschritts immer näher. Ihre 
Wahlaufrufe unterschieden sich von jenen der Letztern nicht 
in dem Inhalt der Forderungen, sondern fast nur in der 
Andeutung einer etwas bedächtigeren, nicht gleich zum Sturme 
schreitenden Taktik. Im Lande zeigte sich bei den Volks- 
massen keine feurige Begeisterung für die Erhaltung der Land-
	        
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