Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

424 Conflicte auf allen Seiten. 1862 
Die Regierung fand, mit einer so heftig drängenden und zu- 
gleich so unbesonnenen Versammlung, welche durch ihre Über- 
treibungen die beste Sache compromittire, werde nicht lange 
auszukommen sein; wie solle man ihr Verfahren bezeichnen, 
der Verstärkung des Heeres heftige Opposition zu machen, 
und zugleich Begehren aufzustellen, deren Annahme durch die 
Regierung sofort das Signal zur Bundescxecution und zum 
Kriege mit Osterreich und Süddeutschland sein würde? Um- 
gekehrt war bei den Abgeordneten der letzte Zweifel geschwunden, 
daß dieses Ministerium, heiße es nun Bernstorff oder Schleinitz, 
saft= und kraftlos an den großen Problemen preußischer Macht 
und Ehre herumtaste, und vor jedem hohen Ziele und jedem 
tapfern Entschlusse zurückkebe. Wenn man in der Wahl- 
bewegung des vorigen Herbstes noch auf eine entschiedene 
Politik zur Erringung einer ehrenvollen Stellung Preußens 
in Europa gehofft habe, so sei es jetzt gründlich vorbei mit 
einer solchen Täuschung, aber eben so gründlich auch vorbei 
mit jedem Gedanken an die Bewilligung der neuen Linien= 
regimenter, deren Bestimmung doch nur ein müßiger Parade- 
dienst sein würde. 
Zugleich schwand auch in der Commission für das Wehr- 
gesetz die letzte Hoffnung auf eine Verständigung. Was auch 
sonst die Vorlage Erfreuliches brachte, die Commission blieb 
auf dem Standpunkte, alles Andere sei unwesentlich, so lange 
die zweijährige Dienstzeit nicht eingeräumt sei. Endlich am 
5. März gab Herr von Roon die abschließende Erklärung, 
daß die Regierung auf diese Neuerung nicht eingehen könnte, 
sondern den gesetzlichen Zustand, die dreijährige Dienstzeit, 
bewahren müsse. Damit stand der Entschluß der Mehrheit 
fest, die Kosten der ganzen Neugestaltung der Armee zu
	        
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