Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

472 Polnische Wirren. 1857 
schiffe im schwarzen Meere verbot. Wenn Frankreich auf 
diese Gedanken einging, wie es damals den Anschein hatte, 
und dann die Erleichterung der auf Polen lastenden Säbel- 
herrschaft der Preis eines solchen Bündnisses wäre, so war 
Gortschakoff eifrig bereit, denselben in vollem Umfange zu 
zahlen. Der neue polnische Statthalter, Fürst Michael Gortscha- 
koff, kam bereitwillig den Wünschen des Ministers entgegen; 
noch wagte man keine Herstellung der Verfassung, aber in 
der Verwaltung kam ein ganz neuer Ton vertrauender Liberalität 
an die Stelle von Paskiewitsch's argwöhnischer Strenge. Ins- 
besondere wandte die Regierung damals der schlimmsten Seite 
des polnischen Gemeinwesens, der Lage der bäuerlichen Be- 
völkerung, ihre Aufmerksamkeit zu, und hier war freilich das 
Übel gewaltig und die Besserung schwierig in hohem Grade. 
Es ist allbekannt, wie in der altpolnischen Zeit der leib- 
cigene Bauer an die Scholle gefesselt und der Willkür des 
Gutsherru rechtlos Preis gegeben war. Als im Jahre 1807 
Napoleon das Großherzogthum Warschau gründete, wurde 
dort auf der Stelle die Leibeigenschaft aufgehoben, die per- 
sönliche Freiheit und Freizügigkeit der Bauern verkündet, und 
mit der Einführung des Code Napoléon das Verhältniß 
zwischen Gutsherrn und Bauern als freier und beiderseitig 
kündbarer Pachtvertrag auf Zeit charakterisirt. Zu einer 
nähern Regulirung der Verhältnisse fand weder Napoleon 
noch die sächsisch-polnische Regierung die Zeit; unter der con- 
stitutionellen Herrschaft Alegander's I. aber beherrschte der 
Einfluß des Adels die Kammern, und dieser zeigte sich nicht 
bemüßigt, organische Gesetze über die bäuerlichen Rechte auf 
Kosten seines Geldbeutels in das Leben zu rufen. That- 
sächlich hatte sich indessen die sogenannte Freiheit der Bauern
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.