Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

482 Polnische Wirren. 1861 
die Menge sich drohend gegen das Schloß des Statthalters; 
der alte General, unsicher und schwankend, durch verschiedene 
Rathschläge bestürmt, gab endlich den Befehl, die Waffe zu 
gebrauchen. Fünf Menschen blieben todt auf dem Platze; 
das Volk stob dann mit wildem Geschrei auseinander. 
So war denn Blut geflossen, und der Kriegsstand zwischen 
Polen und Russen auf's Neue erklärt. Das geheime National- 
comité hatte eine erste Probe seiner Macht bestanden: nur 
wenige tapfere Männer waren thätig, schrieb eine seiner 
Zeitungen, aber das Volk von Warschau hat sich um sie 
geschaart und sie vor den Blicken der Polizei verdeckt. Fast 
täglich folgten sich nun seine Befehle, gedruckte Zettel, die 
bald an die Mauern geklebt, bald durch Knaben in die Häuser 
getragen wurden: eine allgemeine Landestrauer, schwarze Tracht 
für die Frauen, ein neues Nationalcostüm für die Männer 
wurde verfügt; an gewissen Tagen verödeten auf Befehl der 
geheimen Häupter alle Promenaden, Theater und Restau- 
rationen; besonders aber wurde unter enthusiastischer Theil- 
nahme des Klerus die Kirche zu der patriotischen Agitation 
herangezogen. Keine Woche verging, wo nicht ein feierliches 
Hochamt in einer der Warschauer Kirchen zum Gedächtniß 
eines polnischen Ehrentages begangen und regelmäßig mit der 
Anstimmung eines patriotischen Liedes beschlossen wurde. So 
geschah es zunächst in Warschau und setzte sich bald durch 
alle Theile des Landes fort. Der landwirthschaftliche Verein 
kam mehr und mehr in dieses Fahrwasser hinein. Von 
Wielopolski's Petition war seit den Schüssen des 27. Februar 
keine Rede mehr; statt dessen ging eine Adresse an den Kaiser 
ab, die in pathetischen Sätzen die Anerkennung der nationalen 
und historischen Rechte Polens forderte. Die Generalver-
	        
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