148 Erbstreit und Verfassungsfrage.
wünschenswerther und entscheidender als jemals die Her-
stellung eines guten Verhältnisses zu Preußen. Schon am
11. November konnte in diesem Sinne der preußische Ge-
sandte Werther aus Wien berichten: sein englischer College
habe dem Grafen Rechberg bemerkt, wie wichtig der fran-
zösischen Übermacht gegenüber die Einigkeit der deutschen
Großmächte sei, es möge also Osterreich die Bundesreform
auf sich beruhen lassen; sofort habe Rechberg ausgerufen:
wie gerne, wenn nur Preußen es uns jetzt noch möglich
macht. Drei Tage später erklärte Rechberg selbst dem Ge-
sandten sein Bedauern, daß Preußen seine Ansichten über
den Congreß bisher noch nicht nach Wien mitgetheilt habe
und als Werther meinte, Osterreichs Verhalten in der Frage
der Bundesreform habe das alte Vertrauen gestört, rief
Rechberg aus: heute gibt es wichtigere Dinge als Bundes-
reform; Preußen, denke ich, hat mit uns das gleiche Interesse
an der Anerkennung der Verträge von 1815.
Eine gründlichere Verwandlung der Lage, wie sie hier
binnen wenigen Wochen für die beiden deutschen Mächte ein-
trat, ließ sich nicht denken. Das durch Osterreichs Bundes-
reform bedrängte, einer gewaltigen Coalition gegenüberstehende,
in Deutschland völlig isolirte Preußen fand sich jetzt von
England geschätzt, von Frankreich umworben, von Osterreich
als einzig zuverlässige Stütze aufgesucht. Es war das wohl-
verdiente Ergebniß einer ebenso entschlossenen wie vorsichtigen
und vor allen Dingen klaren und furchtlosen Politik.
Während diese Umgestaltung der europäischen Verhält-
nisse sich entwickelte, ging die Kunde von dem Erlöschen des
dänischen Mannsstammes durch die Welt, und neue Über-
raschungen standen dem Wiener Cabinet bevor.