Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Fünfter Band. (5)

212 Französische Vermittlung. 
gewesen. Wenn Deutschland einig und stark würde, so wäre 
diese Hegemonie, die man erst vor Kurzem, nach dem Krim- 
kriege, so siegesfroh genossen, in der Wurzel getroffen: Frank- 
reich müßte sich bequemen, als Gleicher unter Gleichen zu 
leben — ein unerträglicher Gedanke! 
Mit welcher Spannung Kaiser Napoleon den böhmischen 
Ereignissen folgte, bedarf keiner Schilderung. Die geheime 
Verbindung mit Osterreich, in die ihn nach seinem Verdrusse 
über Preußens Zurückhaltung und Italiens Eigenwillen 
Drouyn de Lhuys und Gramont hineingedrängt hatten, war, 
wie wir wissen, auf Grund der Annahme einer zweifellosen 
militärischen Uberlegenheit der Osterreicher geschlossen worden. 
So hatten ihm bereits die ersten Siege des Kronprinzen schwere 
Bedenken erregt. Er begann, unsicher zu werden: indessen 
erwartete er nach jener Wiener Depesche vom 1. Juli die 
baldige Nachricht über einen großen Entscheidungskampf, wel- 
cher den Angelegenheiten hoffentlich eine günstigere Wendung 
geben würde. Als ihm Graf Golg in einer Audienz am 3. Juli 
ausführte, wie sehr die Ereignisse das politische Programm 
Preußens und die Unfähigkeit Osterreichs zur Führung 
Deutschlands erwiesen hätten; als der Gesandte dann die Hoff- 
nung auf baldige Nachgiebigkeit Osterreichs aussprach, wenn 
es nicht gänzlicher Auflösung anheimfallen sollte: da erwiderte 
ihm der Kaiser mit großem Ernste, sein dringender Wunsch sei, 
daß Osterreich nicht in seiner Existenz bedroht werde; denn 
daraus müßte sich eine Lücke im Staatensysteme Europas er- 
geben, die sich ohne einen allgemeinen Brand nicht ausfüllen 
ließe; Rußland würde sich widersetzen, und auch Frankreich 
schwerlich ruhig bleiben können. Er hoffe also auf Preußens 
Mäßigung, in der es sich mit der Consolidirung seiner
	        
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