DHie Merreichischungerische Monarchie. (Juni 11.) 263
ständigung mit Rußland über die Behandlung der den nächsten Orient
betreffenden Fragen an, eine Verständigung, die bereits viele gute Früchte ge-
tragen hat und die nach den gesammelten Erfahrungen auch in der Zukunft
den allgemeinen Friedensinteressen erhebliche Dienste zu leisten verspricht. Die
auf Grund dieses Uebereinkommens eingeleitete Reformaktion in der Türkei
ist nun im vollen Zuge und läßt uns hoffen, daß wir sie trotz vielfach
noch zu überwindender Schwierigkeiten und der tendenziösen Bemühungen
mißgünstiger Kritiker, welche dieselbe als eine aussichtslose Arbeit hinstellen
möchten, mit zielbewußter Entschlossenheit einem greifbaren Erfolge zu-
führen werden. Als wir die zu diesem Zwecke befolgte Marschroute be-
traten, taten wir es im vollen Bewußtsein, daß die Aufgabe keine leichte
ist; wir ließen uns aber von der Ueberzeugung leiten, daß ein besserer
Weg als dieser uns nicht zu Gebote stehe, um den ernsten Gefahren zu
steuern, die jeden Augenblick aus der bedenklichen Lage der uns nächst-
liegenden türkischen Provinzen emporzuwachsen drohten, und bösartigen,
in ihren Folgeerscheinungen nicht berechenbaren Komplikationen vorzu-
beugen. Die Grenzen unserer dahin zielenden Tätigkeit wurden zuletzt
genau im Mürzsteger Programm ausgesteckt, welches das Minimum dessen
darstellt, was unbedingt erforderlich ist, um zu einem ersprießlichen Re-
sultate zu gelangen, dabei aber mit peinlicher Sorgfalt den Souveränitäts-
rechten des Landesherrn Rechnung trägt und in seinen Bestimmungen alles
vermeidet, was einer Desagregation des türkischen Reiches Vorschub leisten
könnte. Unter diesen Umständen schien uns die Erwartung gerechtfertigt
zu sein, daß die Türkei uns aufrichtig an die Hand gehen werde, um mit
vereinten Kräften dasjenige zu vollführen, was sie aus eigenem Antrieb
nicht zustande zu bringen vermochte. In vollständiger Verkennung ihrer
vitalsten Interessen stellte uns indessen die Pforte auf Schritt und Tritt
Hindernisse entgegen und veranlaßte uns schließlich, als wir auf einem
toten Punkt angelangt waren, zu Zwangsmaßregeln zu greifen, die nicht
ohne erhebliche Schädigung ihres Ansehens sowohl nach innen als auch
nach außen verbleiben konnten und die wir schon aus diesem Grunde gern
vermieden hätten. Der Starrsinn, auf den wir in Konstantinopel stießen,
ließ uns aber keinen anderen Ausweg übrig. Weder der Hinweis auf
unsere über jeden Zweifel erhabenen konservativen Gesinnungen, noch die
wohl naheliegende Gefahr, daß, wenn unsere Reformaktion durch die Schuld
der Türkei ohne Wirkung verbleiben sollte, von anderer Seite Forderungen
gestellt werden würden — und dazu war bereits mehr als ein Anzeichen
vorhanden —, welche einer Loslösung der fraglichen Provinzen vom tür-
kischen Staatsverbande gleichkommen, konnten am Goldenen Horn bessere
Erkenntnis erwecken, und so kam es zuletzt nach Erschöpfung aller Mittel
gütlicher Ueberredung zu der gemeinsamen Flottendemonstration, die mit
einem vollen Erfolg ihren Abschluß fand.. Der Minister motiviert
dann die von der Pforte so lange beanstandete Forderung der Mächte
betreffend die Einsetzung einer internationalen Finanzkommission. Er be-
merkt in dieser Hinsicht: Speziell veranlaßt sei diese Forderung dadurch
worden, daß die Türkei das Verlangen nach einer dreiprozentigen Er-
höhung der Einfuhrzölle gestellt hatte, einer Maßnahme, die auch von den
Ententemächten als unerläßliche Vorbedingung für die Equilibrierung des
sogenannten mazedonischen Budgets erkannt worden sei. Mehrere Kabi-
nette, insbesondere das englische, hätten jedoch ihre Zustimmung zu dieser
Zollerhöhung in erster Linie an die Bedingung geknüpft, daß ihnen die
Möglichkeit gewährt werde, durch eigene Vertreter an der die zukünftige
Finanzgebarung normierenden Arbeit unmittelbar teilzunehmen. Der Mi-
nister hofft, daß es bald gelingen werde, diese Angelegenheit zu erledigen