Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Fünfter Band. (5)

Friedenswünsche der österreichischen Bevölkerung. 273 
flehentlichen Bitte, die offene Stadt Wien nicht durch hart- 
näckige Vertheidigung den Greueln einer Belagerung auszu- 
setzen, und ließ bald nachher eine dringende Vorstellung 
folgen, die patriotische Begeisterung der österreichischen Völker 
durch Herstellung des Verfassungsrechts neu zu beleben. Das 
Alles gab trübe Aussichten für einen weitern Kampf auf 
Leben und Tod. Dabei drängte Napoleon auf rasche Be- 
endigung des Krieges; Gramont schilderte ihm zwar höchst 
eindringlich, daß Preußen im Westen völlig wehrlos sei, 
Napoleon also durch eine kleine Demonstration am Rhein 
den Frieden auf der Stelle ganz nach seinem Willen dictiren 
könne, erhielt darauf aber keine Antwort, und am 16. kam 
sein College Benedetti auf kaiserlichen Befehl nach Wien, um 
erneute Mahnungen zum Friedensschluß ausgehen zu lassen. 
Was Preußen betraf, so empfing Bismarck bei den 
steten Störungen des böhmischen Telegraphendienstes die 
Pariser Nachrichten lange nicht so schnell wie Gramont und 
durch diesen Mensdorff. Seit Benedetti's Ankunft hatte er 
mit ihm tägliche Erörterungen über Preußens Mäßigung und 
Frankreichs Wohlwollen gehabt. In Bezug auf die preußi- 
schen Annexionen ließ Benedetti durchblicken, daß Napoleon 
wahrscheinlich gegen die Aneignung Hannovers und Hessens 
keinen Widerspruch erheben würde; als dann aber Bismarck 
weiter forschte, ob Napoleon dafür Compensationen begehren 
würde, und welche, hüllte sich der Botschafter in eisiges 
Schweigen, und verharrte in demselben, auch als Bismarck 
große Bereitwilligkeit zu solchen Zugeständnissen erkennen ließ, 
vorausgesetzt, daß Frankreich seine Ausdehnung nicht auf 
deutschem Boden, sondern anderwärts (also in Belgien oder 
der französischen Schweiz) suchen, und die Sacke, allein mit 
v. Sybel, Begründung d. deutschen Reiches V.
	        
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