Französische Forderungen. 361
Erstarkung und die deutsche Einheit hindern, oder es müsse
bei dem Geschäfte ein tüchtiger Gewinn für Frankreich ab-
fallen. Sie stritten über den Umfang und die Auswahl der
französischen Erwerbungen; dabei wollten die Einen Preußen
mit drohendem Befehle zu Abtretungen zwingen; die Andern
hofften, in freundlichem Einvernehmen mit Berlin das Ziel
zu erreichen: darin aber stimmten Alle überein, daß Preußen
nach seinen Annexionen zu einer entsprechenden Vergrößerung
Frankreichs die Hand bieten müsse. Man hatte sich diesen
Anspruch so oft wiederholt, daß man ihn jetzt als ganz selbst-
verständlich Tag für Tag verkündigte, als das „legitime Be-
gehren“ Frankreichs, als die Frankreich „zukommende Ent-
schädigung“ oder „Compensation“. Ubrigens hatte man zur
Begründung des Anspruchs zwei gleich elegante Formeln.
Nach der einen wäre ohne solche Abtretungen die Sicherheit
Frankreichs durch die deutsche Einheit zu sehr gefährdet, ein
Satz, der nicht von großem Nationalstolz zeugte, da Deutsch-
land 1) damals ebenso wie Frankreich ) etwas über 38 Millionen
Einwohner zählte, von welchen Preußen im Nordbund nur
29 vereinigte, und Frankreich außerdem im Kriegsfall eine
mächtige Flotte, größern Reichthum und stärkere Centralisation
vor Deutschland voraus hatte; die deutsche Einheit also nur
dann Frankreich gefährlich werden konnte, wenn dieses in
geistiger oder sittlicher Beziehung hinter jenem zurückblieb.
In der That waren dergleichen Sorgen nicht eben ernst-
haft gemeint: man fürchtete in Wahrheit nicht für die eigne
Sicherheit, sondern für die französische Hegemonie über Europa.
Napoleon, schrieb bald nachher ein vielgelesener französischer
Außer Osterreich.
) Außer Algerien.