414 Die Friedensschlüsse.
festen Freundschaft mit Frankreich gewonnen. Diese Erörte-
rung ist uns nicht unbekannt: sie ist dem Kaiser durch Bis
marck seit 1864 vorgetragen worden; wir sahen, welchen
Eindruck sie auf ihn gemacht hat.
Frankreich, fährt die Depesche fort, darf an der neuen
Unabhängigkeit Deutschlands keinen Anstoß nehmen. Stolz
auf seine bewundernswerthe Einheit und seine unvertilgbare
Nationalität, kann es nicht das Werk der Assimilation, das
sich eben vollzieht, bekämpfen oder bedauern, und die Prin-
cipien der Nationalität, welche es repräsentirt und den Völkern
gegenüber bekennt, eifersüchtigen Gefühlen unterordnen. Wenn
der nationale Drang des deutschen Volkes befriedigt ist, wird
seine Unruhe sich zerstreuen, seine Feindseligkeit erlöschen.
Indem es Frankreich nachahmt, thut es einen Schritt, der
es uns näher bringt, und nicht von uns entfernt.
Die Depesche bespricht dann in ähnlicher Weise das Ver-
hältniß Italiens, und erklärt die Unwiderstehlichkeit des
Triebes, welcher die Völker Mitteleuropas bestimmt, gegenüber
dem colossalen Wachsthum Rußlands und Nordamerikas, sich
zu großen Gestaltungen zu vereinigen. Die Polirkk, sagt sie,
muß sich über engherzige und mißgünstige Vorurtheile eines
andern Zeitalters erheben. Der Kaiser glaubt nicht, daß die
Größe eines Landes von der Schwächung der Völker, die es
umgeben, abhängt; er sieht das wahrhafte Gleichgewicht nur
in den befriedigten Wünschen aller europäischen Nationen.
Hiemit war denn allerdings die bestimmteste Absage
gegen die Politik der sogenannten französischen Traditionen
ausgesprochen, die Politik Mazarin's und Ludwigs XIV.,
die Politik des herrschenden Ubergewichts Frankreichs in ganz
Europa. Hätte der Kaiser die Kraft und den Muth besessen,