432 Innere Entwicklung.
rückhaltloser Preußen zeigt, daß es seine Feinde von der
Landkarte wegsegen kann, um so pünktlicher muß es seinen
Freunden die gegebene Zusage erfüllen. Gerade in Süd-
deutschland wird dieser Glaube an unsere politische Redlichkeit
von großem Gewicht sein. Was die Reichsverfassung angeht,
so ist auch sie nur eine der Formen, in denen das von mir
angedeutete Problem gelöst wird. Ich gebe zu, daß sie das,
theoretisch genommen, schärfer und richtiger thut, als unser
Bundesproject, indem sie die Fürsten gewisser Maaßen zu
Unterthanen, zu Vasallen des Kaisers macht; diese werden
aber viel mehr geneigt sein, einem Mitverbündeten, einem
Beamten des Bundes, Rechte einzuräumen, als einem eigent-
lichen Kaiser und Lehnsherrn.“
So bündig dies Alles erscheinen mußte, und so sicher
die Mehrheit des Hauses für die Erweiterung der preußischen
Grenzen war, so mußte doch die zur Berathung des Gesetzes
berufene Commission noch weitschichtige Verhandlungen durch-
machen. Gleich zu Anfang erhob sich nach den Grundsätzen
moderner Humanität scharfer Widerspruch gegen das Recht
der Eroberung überhaupt, auf welches Bismarck die Annexio-
nen zunächst begründet hatte. Das sei eine Überhebung
der nackten Gewalt, die in der aufgeklärten Gegenwart anti-
quirt sei; erst eine Abstimmung des besiegten Volkes könne
der Annexion die volle rechtliche Weihe geben. Auch wer
etwa bei einem Kriege gegen das Ausland eine Eroberung
zulassen wollte, dürfe bei einem Kampfe gegen Deutsche sich
nicht aus einem solchen Begriff Rechte herleiten. Jedesfalls
bleibe, auch wenn die herrschende Dynastie beseitigt werde,
dem besiegten Volke das Recht auf seine bisherige Verfassung
und Vertretung; es seien also vor jeder Annexion wenigstens