Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Fünfter Band. (5)

Opposition gegen das Bundeswahlgesetz 437 
Volksvertretung in Deutschland überhaupt vernichtet werde. 
Daß das Parlament aus allgemeinem Stimmrecht hervor- 
gehen sollte, nahm sich zwar demokratisch genug aus, und 
Waldeck erklärte, darin liege die Anerkennung des Princips 
der Volkssouveränität. Eben dies machte aber viele gemäßigte 
Liberale besorgt, und manche Radicale argwohnten, es werde 
in Bismarck's Händen auf eine Copie des napoleonischen 
Systems hinauslaufen, wo sich das liebe Stimmvieh durch 
Präfecten und Kleriker willenlos zur Wahlurne führen ließe. 
Kurz, auf allen Seiten des Hauses blieb die Stimmung miß- 
trauisch und kühl. Ja, meinte man, wenn es sich um Abge- 
ordnete des gesammten Deutschland handeln könnte! Dann 
würde der Zauber des Wortes deutsches Parlament, 
welcher das Vaterland seit 1848 in seinen Tiesen und Höhen 
stets bewegt habe, sofort auch jetzt wieder seine volle Wirkung 
zeigen. Leider aber habe Bismarck in der Mitte seines Sieges- 
laufes Halt gemacht, unter den günstigsten Verhältnissen für 
die Aufnahme auch der süddeutschen Staaten in den neuen 
Bund. Offenbar habe er diese nicht gewollt; nur zu nahe 
liege der Gedanke, er habe es geflissentlich vermieden, da- 
mit ja nicht ein lebenskräftiges Parlament in Deutschland 
emporwachse. 
Solche und ähnliche Erörterungen wurden vor Allem 
von den Rednern der Fortschrittspartei in allen denkbaren 
Wendungen vorgelegt. Die mittleren Fractionen waren weit 
entfernt davon, sich alle diese Ausstellungen anzueignen, aber 
in Einem Punkte waren auch sie vollkommen einverstanden: 
nimmermehr könne die preußische Verfassung auf einem andern 
als dem verfassungsmäßigen Wege, also unter Zustimmung 
der beiden Häuser des Landtags, abgeändert werden. Es
	        
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