Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Fünfter Band. (5)

Allgemeines Stimmrecht. 441 
währung von Tagegeldern für die Mitglieder des Parlaments, 
wieder ohne eine irgend wie eingehende Erörterung der Frage, 
mit kleiner Mehrheit abgelehnt. 
So war denn nochmals eine allgemeine Verständigung 
erreicht, da bald nachher auch das Herrenhaus seine Ge- 
nehmigung aussprach, allerdings unter Hinzufügung einer 
Resolution, welche die Regierung auf die schweren Bedenken 
gegen das allgemeine Stimmrecht hinwies. Dies war denn 
freilich in die Luft geredet: ein Parlament auf breitester, 
demokratischer Grundlage war der Nation gesichert. Manche 
Gegner des allgemeinen Stimmrechts hatten sich mit dem 
Gedanken getröstet, daß es sich ja nur um diese eine Wahl 
handle, und erst das künftige Parlament selbst das bleibende 
Wahlsystem des Bundes zu bestimmen habe. Die Erwägung 
zeugte nicht gerade von prophetischer Gabe: es müssen schwere 
Krisen eintreten, ehe eine Volksvertretung sich entschließt, 
einen Theil ihrer eignen Wähler des für sie selbst geübten 
Rechtes zu entkleiden. Vollends in jener Zeit, wo Bismarck 
in diesem einzigen Punkte, in der Begünstigung des allge- 
meinen Stimmrechts, mit der Fortschrittspartei einverstanden 
war, mußte jeder Widerstand dagegen hoffnungslos, jeder 
Versuch eines solchen lediglich als der Ausdruck eines „Sal- 
Vavi animam meam“ erscheinen. Der Erfolg der nächsten 
Jahrzehnte hat dann allerdings gezeigt, daß man 1866 erst 
unvollständige Übung in dem Urtheil über die Consequenzen 
demokratischer Principien hatte. Die praktische Erfahrung hat 
jene radicale Besorgniß einer Bevormundung des allgemeinen 
Stimmrechts durch die Polizei ebenso wenig bestätigt, wie 
Bismarck's Hoffnung, größern Respect vor den Wünschen des 
Königs bei den Volksmassen als bei dem mittleren und höhern
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.