72 Custozza.
In engem Zusammenhange damit stand ein Zweites.
Wir haben gesehen, wie das Ministerium Belcredi anfangs
zwar durch die Vernichtung des Wiener Centralparlaments
großen Jubel bei Magyaren und Südslaven hervorgerufen
hatte, dann aber bei der Berathung der künftigen Landesver-
fassungen sowohl mit dem ungarischen Reichstag als mit dem
croatischen Landtag zu offenem Bruche gekommen war. Als
nun gleichzeitig die Kriegsgefahr immer gewichtiger empor-
wuchs, rührten sich alle Hoffnungen der ungarischen Emi-
gration von 1848, Kossuth's, Klapka's, Türr's, Czaki's, auf’'s
Neue; sie meinten, daß es bei der frischen Erbitterung der
beiden Nationen gegen die österreichische Regierung nur des
Erscheinens einer kleinen italienischen Streitmacht bedürfen
würde, um eine allgemeine Erhebung des Volkes und eine
neue Abschüttlung des österreichischen Joches in allen Landen
der Stephanskrone zu bewirken. Nun stand der preußische
Gesandte Graf Usedom mit jenen revolutionären Führern
seit geraumer Zeit in naher Beziehung, wie sich versteht,
ohne Auftrag seiner Regierung, aber nur um so eifriger nach
einem persönlichen Herzensdrange. Graf Usedom war ein
stattlicher, lebhafter, vielseitig gebildeter Mann, ein rühriger
Freimaurer, bewandert in weiten Gesellschaftskreisen, ein un-
erschöpflicher Anekdotenerzähler, zugänglich für jede Anregung,
wenn auch nicht gründlich in der Durcharbeitung derselben.
Ein vornehmer Aristokrat, war er doch der Meinung, daß
den liberalen Fortschritten des Zeitgeistes Rechnung zu tragen
sei, und machte davon auf sein Amt die Anwendung, daß
der rechte Diplomat nicht bloß mit der Regierung, bei der
er beglaubigt sei, sondern zugleich mit dem Volke, der Oppo=
sition und den Häuptern der öffentlichen Meinung Ver-